Die Künstlerin vom Bullerdeich versucht, die vielen Gesichter der Geliebten Adolf Hitlers in Bildern darzustellen.

Hammerbrook. Dort, wo die Wagen der Stadtreinigung über das Kopfsteinpflaster rumpeln und die Gegend ein wenig unwirklich ist, dort, wo man im Dunkeln heimlich seinen Schritt beschleunigt, hat Tanja Hehmann ihr "sweet home" gefunden. In dem alten Backsteingebäude am Bullerdeich ist das Atelier der Künstlerin: Im zweiten Stock riecht es nach Farbe und Terpentin, aus den hohen Sprossenfenstern fällt Nordlicht, aus der schwarzen Stereoanlage singt leise Tori Amos, an der Wand das petrolgrüne Brokatsamtsofa, das Tanja so mag, darüber zwei moderne Bilder. Natürlich von Tanja. Überhaupt: An den Wänden fallen großformatige modern gemalte Bilder auf. "Das eine hängt da, weil es mich erinnert, wo ich hin will.", verrät Tanja. "Auf die anderen will ich noch mal einen Blick werfen."

Tanjas Farben sind Kaminrot und Preußischblau, eine Art schmutziges Inkarnat. Ihr Leitthema ist Weiblichkeit. Angefangen hat es mit einfachen Insignien von Weiblichkeit, wie dem BH oder anderen Attributen, die sich auf den Bildern einschmuggelten. Angekommen ist sie mittlerweile bei der komplexen Auseinandersetzung mit der Figur der Eva Braun, zu der Tanja mit den befreundeten Künstlern Thorsten Dittrich und Eva Koslowski zuletzt ausgestellt hat. Titel der Ausstellung: "Der Fräuleinkomplex - Arbeiten zu Eva Braun". Doch wie nähert man sich bloß der Begleiterin von Hitler, frage ich Tanja. Wir stehen vor kleinformatigen Bildern und Collagen, Arten von Fingerübungen zu Eva Braun.

Tanja, die eine türkisfarbene Strickjacke aus Wolle trägt, erzählt mir: Die langjährige Wegbegleiterin des Diktators musste seinerzeit streng geheim bleiben. "Natürlich hatte Hitler nur Deutschland zur Braut." Tanja hat mehrere Biografien gelesen und Dokumentationszentren aufgesucht. Jetzt weiß sie: Eva Braun, die Hitler als Assistentin seines Fotografen mit 17 kennenlernte, unternahm mehrere Suizidversuche, um Hitler erpresserisch an sich zu binden und wünschte sich nichts sehnlicher als ein Kind. Manch einer spekulierte über die Art der Beziehung und urteilte, dass das Mädchen Hitler lediglich zur Verschleierung seiner latenten Homosexualität diente.

Tanja beschreibt die Arbeit zu Eva Braun mit ihrer angenehmen, sanften, fast ein wenig bedächtigen Stimme als gleichzeitige Annäherung und Abstoßung. War die ewige Mätresse berechnend, grenzenlos naiv, eine Mittäterin, eine unglücklich liebende Frau oder in Teilen gar rebellisch? Eva Braun lebte in ihrer Münchner Wohnung ein Leben, das teilweise wohl gar nicht so konform war: "Sie liebte wilde Partys, Blues und Jazz." Auf dem idyllischen Berghof, wo Braun mit Hitler in den letzten Kriegsjahren lebte, bekam die unpolitische Geliebte später die historischen Ereignisse zwangsläufig mit, interessierte sich aber lediglich dafür, inwiefern Hitler dadurch später zu ihr zurückkehren würde. Beim Malen nach Originalfotos, die Tanja Hehmann bewusst unscharf ausdruckte, fiel der Künstlerin auf, dass die blonde Frau eine Ahnung blieb, schwer zu greifen: "Immer wieder wischte ich ihr Gesicht wieder fort." Und auch das Theatralische im Stile einer Wagner-Oper war bei dieser Arbeit schwer verdaulich: Eva Braun und Hitler heirateten, um sich am Tag darauf gemeinsam das Leben zu nehmen: die große Götterdämmerung.

Trotzdem sind einige beeindruckende Bilder herausgekommen: Tanja malte die ewig zappelnde Eva als einer Art Alice im Wunderland: im Dirndl und in den Abgrund stürzend, daneben Seifenblasen in pink, kaminrot und orange - erst auf den zweiten Blick sind sie sichtbar. Oder Eva erscheint in einem üppig pinken Szenario, einerseits als verführerische Frau, andererseits an eine Kreuzigung in Märtyrerpose gemahnend. Schließlich eine seltsame Geborgenheitsszene, bei der Eva inmitten von leuchtend farbigen Stahlgewittern oder Flakscheinwerfern über ein Tier, vielleicht einen Hund gebeugt ist. Tanja arbeitete bei all diesen Bildern assoziativ, ließ ihrer Hand mit dem Pinsel freien Lauf. Zur Vernissage mit den ausdrucksstarken Bildern in der Galerie nachtspeicher e.v. in St. Georg, die Tanja Hehmann mit Thorsten Dittrich und Eva Koslowski zusammen betreibt, kamen viele Gäste - und deuteten ganz Unterschiedliches in die abstrakten Bilder hinein.

Und sonst? Wenn Tanja in ihrem gemütlichen Atelier am Bullerdeich ans Malen geht, nutzt sie ihre Wandstaffelei. Das Licht fällt seitlich durchs Fenster, manchmal klebt sich Tanja eine Folie als Skizze daran. So lässt es sich praktisch arbeiten. Auch die Grundierung ihrer Bilder gestaltet die Künstlerin besonders: Indem sie Farben erst einmal auf die Leinwand kippt. "Dripping" nennt sich dieses Verfahren. So wirkt die Leinwand benutzter und belebter, schließt den Realismus ein Stück weit aus und öffnet dem Zufall die Tür. So kann man sich selbst "auch mal austricksen."