Sittensen. Draußen auf der A 1 quälen sich viele Fernfahrer gerade durch endlose Baustellen-Engführungen. Bei ihren Kollegen, die im Restaurant des Autohofs Sittensen sitzen, ist die Baustelle heute beim 73. Fernfahrerstammtisch der Polizeidirektion Lüneburg kein Thema. Vielmehr geht es dort um technische Mängel an Lastwagen und Sattelzügen. Das Thema ist brisant: Immer wieder ist in diesen Tagen von umgekippten Lastwagen auf der A 1 die Rede. Ursache sind oft unsachgemäße oder fehlende Wartung der Lastzüge.

Immer am ersten Mittwoch im Monat treffen sich Autobahnpolizei, Fernfahrer und Spediteure zum Meinungsaustausch, abwechselnd auf den Rastanlagen Sittensen und Hollenstedt. "Es geht dabei nicht um das Bier nach Feierabend", sagt Lüneburgs Polizeipräsident Friedrich Niehörster.

Ziel der Polizei sei es vielmehr, den Austausch mit Fahrern und Firmen zu verbessern - beziehungsweise, ihn überhaupt erst einmal zu suchen, und dies nicht nur bei gelegentlichen Großveranstaltungen, sondern regelmäßig."

Jeder Stammtisch steht unter einem Thema - die Anschnallpflicht für Lkw-Fahrer, die richtige Sicherung der Ladung, die Regelung von Fahrverboten, die Lenk- und Ruhezeiten, die Maut. Oder, wie heute, um technische Mängel. Die Polizeidirektion Lüneburg ist es, die Fahrer und Unternehmer regelmäßig zum Meinungsaustausch mit Polizeibeamten einlädt. Die Themen klingen oft erschreckend, die Diskussion darüber dient aber stets der Vermeidung schwerer Unfälle.

Polizeioberkommissar Bernd Friedrichs, der Moderator des Abends, zeigt Fotos von Sattelzügen und Transportern, die bei Routinekontrollen aus dem Verkehr gezogen wurden, weil sie nicht mehr fahrtauglich waren. Friedrichs führt ohne erhobenen Zeigefinger durch den Abend. Gekommen sind heute mehr als 40 Fahrer und Spediteure.

Die Bilder, die Friedrichs zeigt, sprechen für sich. Da ist etwa ein Bus, aus dessen Rahmen ein großes Stück herausgeschweißt wurde - um die Bremsen besser warten zu können. Oder ein Reifen mit losen Radmuttern - "wenn so ein Rad zur falschen Zeit auf der falschen Straße abfällt. Sie können sich denken, was dann los ist", sagt Friedrichs. Dann eine Bremsanlage, bei der die Bremsscheibe bereits abgefallen ist und nur noch zwei Schrauben gegen das Rad drücken. "Das war ein Schwertransport, 97 Tonnen", sagt Friedrich. "Das hätte der Fahrer eigentlich hören müssen." Es folgt das Foto einer Bremsscheibe kurz vor dem Auseinanderfallen. "Die Ausrede des Fahrers: Er habe ja noch ein paar Achsen, da komme es auf eine einzelne nicht an."

Seit 2002 gibt es den Fernfahrer-Stammtisch. Der Fall des Eisernen Vorhangs Anfang der 90er-Jahre und die EU-Osterweiterung im Jahr 2004 habe die Menge des gewerblichen Güterverkehrs auf Autobahnen stark anwachsen lassen. Die Folge: deutlich mehr Unfälle, auch und besonders mit Beteiligung von Lastwagen. "Darauf", sagt Niehörster, "musste reagiert werden." Schon im Jahr 2000 hatte die Polizei in Bayern und Nordrhein-Westfalen zu Stammtischen eingeladen. Die Polizeidirektion Lüneburg folgte zwei Jahre später.