Die neue B4/75 soll eine Bundesstraße bleiben. Anja Hajduk sagt “umfassenden Lärmschutz“ zu.

Wilhelmsburg. Mit Trillerpfeifen und einer acht Meter langen Unterschriftenliste haben 550 Frauen und Männer am Dienstagabend die Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt, Anja Hajduk (GAL), im Wilhelmsburger Bürgerhaus empfangen. Als die Senatorin anfing über die Straßenbauprojekte im Hamburger Süden zu reden, zeigten ihr rund 100 Wilhelmsburger gelbe Plakate: "Frau Hajduk, Sie haben uns belogen!" In kleinerer Schrift war zu lesen: "Die Senatorin missbraucht die Bürgerbeteiligung. Sie zieht ihre Autobahnpläne gegen den Willen der Bürger gnadenlos durch. Wir sagen: Dialog und Kooperation gehen anders. Wir lassen uns nicht missbrauchen!"

Grund für den Unmut vieler Wilhelmsburger war die Finanzierungsvereinbarung zwischen Hamburg und dem Bund - die Senatorin hatte am 8. Oktober stolz verkündet: "Die Wilhelmsburger Reichsstraße soll nach der grundsätzlichen Zustimmung des Bundesministeriums für Verkehr neben die bestehende Bahntrasse verlegt werden."

Damit habe die Senatorin das laufende, so genannte "Beteiligungsverfahren" ad absurdum geführt, sagen viele Bürger - der Wilhelmsburger Hartmut Sauer (59) sprach von einem "massiven Vertrauensbruch". Die Moorwerderin Liesel Amelingmeyer (52) sprach den meisten im Saal aus der Seele: "Frau Senatorin, dies war kein Beteiligungs-, sondern ein Anhörungs- und Informationsprozess."

Die Senatorin kam indes mit ein paar interessanten Versprechungen ins Bürgerhaus: "Wir planen die Wilhelmsburger Reichsstraße nicht als Autobahn, sondern als vierspurige Bundesstraße, deren Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h begrenzt ist. Das ist die Grundlage für die Finanzierungsvereinbarung." Wichtig für die "langfristige Entwicklung Wilhelmsburgs" sei es, so die Senatorin, die derzeitigen drei Nord-Süd-Trassen - Reichsstraße, Bahnstrecke und Autobahn 1 - auf zwei zu reduzieren: "Dies ist eine Riesenchance für die Elbinsel!"

Die grüne Politikerin versprach gleichzeitig: "Damit verbunden ist auch der Anspruch auf Lärmschutz für die Menschen, die östlich der Bahntrasse leben." Allein durch die gesetzlich vorgeschriebenen gesetzlichen Maßnahmen werde sich der Lärmschutz "um 30 Prozent verbessern". Sie wolle mit zusätzlichen Maßnahmen den Lärmschutz sogar "um 60 Prozent verbessern". Derzeit werde bei 11 000 Wohneinheiten auf der Elbinsel der gesetzlich zulässige Maximalwert von 74 Dezibel überschritten. Anja Hajduk: "Ich bin mit der Deutschen Bahn in Verhandlungen und werde mit Bundestagsabgeordneten verhandeln, dass Geld für den Lärmschutz nach Wilhelmsburg geht."

Hajduks Mitarbeiter Klaus Franke vom Amt für Verkehr sagte: "Wir haben die einmalige Chance, den Verkehr zu bündeln und einen vernünftigen Lärmschutz zu realisieren." Die Reichsstraße werde "beidseitig eingekapselt" - "ein Grundrauschen" würden die Anwohner dann "nicht mehr haben".

Der Kirchdorfer Jochen Klein gab zu Bedenken, dass "auch auf der schnurgeraden neuen Straße schneller gefahren wird als erlaubt ist". Schon heute fahre kaum ein Autofahrer auf der B4/75 das vorgeschriebene Tempo 70. Jochen Klein: "Kein Mensch wird an so eine Trasse ziehen. Die Grundstücke östlich der Bahn sind im Wert gefallen."

Noch ein Versprechen gab Senatorin Hajduk: "Wir wollen bis November 2010 ein Gesamtverkehrskonzept für den Hamburger Süden vorlegen." Erst dann werde ein Planfeststellungsverfahren für die Hafenquerspange beginnen. Die Nordtrasse sei "nicht besser" als die Südtrasse, sagte die Senatorin. Ein Trassenverlauf in Neuland und in Moorburg müsse "geprüft" werden. Später sagte Frau Hajduk: "Mir ist die Existenzfrage von Moorburg ein wichtiges Anliegen."

Was sie indes nicht sagte: Noch vor der Bürgerschaftswahl im Februar 2008 hatte sie gegenüber "politik tv" vor laufender Kamera auf die Frage: "Die Hafenquerspange ist?" geantwortet: "viel zu teuer und wäre eine Katastrophe für Wilhelmsburg". Damals war allerdings noch von der Nordvariante die Rede.