“Happy Slapping“ - eine neue Form der Jugendkriminalität. Die Polizeiinspektion Harburg setzt auf Aufklärung und macht Mut, sich zu wehren.

Winsen. Eine Clique sucht sich einen Schwachen, beleidigt und prügelt ihr Opfer. Was es in der Jugendkriminalität schon immer gab, hat eine neue, besonders erniedrigende Dimension erreicht. Die Handy-Kamera läuft immer mit. Die Peiniger veröffentlichen die Szenen im Internet oder verbreiten sieals Fotos von Handy zu Handy. Das Opfer wird so noch einmal gedemütigt - vor allen Mitschülern, in der ganzen Stadt. Die meisten Eltern ahnen wohl nicht einmal, was ihre Kinder alles auf dem Handy gespeichert haben. Bei einer Kontrolle in einer x-beliebigen Schule, sagt Kriminalhauptkommissar Carsten Bünger (44) von der Polizeiinspektion Harburg, würde die Polizei auf vielen Handys gewalttätige Inhalte in irgendeiner Form finden.

"Happy Slapping" (das heißt so viel wie: "fröhliches Dreinschlagen") nennt sich das Phänomen, Opfer mit Hilfe des Handys zu verhöhnen. "Happy Slapping" stammt aus Großbritannien - ursprünglich stellten aber Jugendliche die Gewaltszenen für ihre Filmchen nur nach. Heute ist das Theater zu einer perfiden Straftat mutiert. Erstmals hat jetzt die Polizei ihr Medienpaket "Abseits" zur Gewaltprävention an Schulen um das Kapitel "Handygewalt" erweitert.

Laut einer Jugendstudie des medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest aus dem Jahr 2008 sei 84 Prozent aller jugendlichen Handybesitzer bekannt, dass per Handy gewalthaltige oder pornografische Bilder verschickt werden. 28 Prozent der Handybesitzer haben schon mitbekommen, dass Prügeleien oder ähnliche Gewaltszenen mit dem Handy aufgenommen wurden.

Viele Jugendliche wissen nicht, dass allein das Weiterleiten von Bildern, die entwürdigende Szenen zeigen, verboten ist. Aber: Gewaltdarstellung kann mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldbuße geahndet werden. In der Regel müssen Jugendliche Sozialstunden leisten.

"Happy Slapping" ist kein Großstadtphänomen, hat längst den Landkreis Harburg erreicht. Ein verprügelter Junge in Buchholz führte die Polizei unlängst auf die Spur einiger Jugendlicher, die seinen Freund misshandelt und dabei gefilmt hatten. Bei einem aus der Clique entdeckte die Polizei das mit einem Handy gedrehte Video auf seinem Computer. Die Demütigung war sozusagen weltweit: Einer der Täter hatte die Gewaltszenen über ICQ Community veröffentlicht, einem Internetportal für junge Leute, die dort chatten und bloggen.

Kinder und Jugendliche setzen das Handy ein, um andere zu verleumden und zu erniedrigen. In Winsen filmte eine Gruppe Schüler ihren zwölf Jahre alten Mitschüler: Er musste auf dem Spielplatz die Hose herunterlassen. Die Täter prahlten damit. So bekam die Schulleitung Wind davon und benachrichtigte die Polizei. Fälle von Handygewalt erreichen die Polizei im Landkreis Harburg nicht jede Woche. Die Dunkelziffer dürfte aber sehr hoch sein.

Wer sind die Täter? "In der Regel Jungen, nur selten Mädchen", sagt Carsten Bünger, Beauftragter für Jugendsachen bei der Polizei im Landkreis Harburg. Sie würden wissen, dass Gewalt verboten ist. "Sie wollen sich abgrenzen von den Erwachsenen", sagt der Kriminalhauptkommissar, "cool sein und sich bei den Mädchen interessant machen." Das bedeutet: Ächten die Mädchen die erniedrigenden Gewaltvideos, könnten sie schnell ihren Reiz verlieren. So ist es kein Zufall, dass in dem neuen Kurzfilm zur Handygewalt im Medienpaket "Abseits", jugendgerecht gedreht in Musikclipästhetik, ein hübsches Mädchen ihrem Mitschüler Mut macht, über seine Peiniger beim Schulleiter auszupacken.

Wie können Jungen und Mädchen Opfern von Handygewalt helfen? "Niemand soll sich dazwischen werfen", sagt Carsten Bünger. "Helfen heißt, darüber zu reden." Denn die Opfer reden meist nicht, brauchen Hilfe von anderen. Zivilcourage zeigt, wer den Eltern oder einem Lehrer Bescheid gibt.

Angst vor Rache dürfte bei vielen Jungen und Mädchen das Haupthindernis sein, über Handygewalt auszupacken. Die Gefahr, so die Erfahrung der Polizei, sei unbegründet. "In der Regel sind es keine, die ihr Opfer wieder belästigen, wenn sie aufgeflogen sind", sagt Carsten Bünger. Handygewalt sei kein Anzeichen dafür, dass die Jugend verroht sei. Bei der Bevölkerung wachse der Eindruck, das sei aber falsch. "Hätte es vor 20 oder 30 Jahren schon die technischen Möglichkeiten gegeben", ist sich der Kriminalhauptkommissar sicher, "hätte es das auch schon gegeben."

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