Kocht die Krise auch in den kleinen Hotelküchen der familiengeführten Betriebe hoch? Wir haben drei Hoteliers besucht.

Landgasthof Heitens Hoff

Hollenstedt/Bispingen/Marxen. Christoph Prigge ist ein Freund klarer Worte. "Durch das Nichtraucherschutzgesetz herrscht Verunsicherung, rauchende Gäste gehen schneller", sagt der Hotelier. Außerdem hat er ein verändertes Ausgabeverhalten festgestellt: Selten werde ein zweites Getränk bestellt, junge Familien kämen weniger und die Tendenz gehe zum Spargericht. Der Mann kennt sich aus, schließlich vertritt er als Dehoga-Vorsitzender rund 250 Gastronomiebetriebe im Landkreis Harburg.

Sein eigener besitzt seit 1902 eine Schankkonzession. Vater Prigge ist an diesem Ort 1962 als Gastwirt gestartet, sein Sohn Christoph übernahm den Landgasthof vor über 20 Jahren. Seitdem ist viel passiert. Nur von Tradition kann kein Restaurant überleben. Investitionen müssen her, frische Ideen, moderne Räumlichkeiten. Das weiß auch Christoph Prigge und renovierte vor kurzem aufwendig seinen Bankettraum. Seitdem erstrahlt die "Hannes Stuv" für Familienfeiern in neuem Glanz, während das Restaurant weiterhin traditionelles Ambiente betont. Ausgestopfte Waldtiere, Kürbisse und Herbstlaub machen als Deko auch dem letzten Gast klar, in welcher Jahreszeit wir uns befinden.

Und der kalkuliert knallhart. Die Preise sind ausgereizt. Ehefrau und Küchenchefin Sabine Prigge kocht häufig auf Sparflamme. Zum Beispiel den Niedersachsenteller für elf Euro - mal mit Schmorbraten, Tafelspitz oder Schweinshaxe. Gute Qualität für kleines Geld. Gleichwohl: "Kampfpreise machen wir nicht mit", ergänzt ihr Mann. "Jedes Essen wird frisch zubereitet." 90 Prozent Stammgäste wissen das zu schätzen. Jetzt steht die kulinarische Hochsaison vor der Tür: Grünkohl (ab 6.11.), Gänse (ab 11.11.) und Karpfen (ab 15.11.) füllen die Extrakarte. Die gute Nachricht: Die Preise bleiben stabil.

Besonders lecker wird's, wenn der Chef sein Hobby im Angebot hat. Auf benachbarten Weiden züchtet er schottische Hochlandrinder. Viermal pro Jahr wird eines der Tiere geschlachtet und von Sabine Prigge frisch verarbeitet. Tochter Katharina sieht das gastronomische Treiben eher gelassen. Als charmante Servicekraft unterstützt sie ihre Eltern in den Ferien, möchte den Betrieb später aber nicht übernehmen, studiert lieber auf Lehramt.

Landhaus zum Lindenhof

Bei Rebecca Gieser-Neven und Thomas Gieser wurde die Zeitenwende im Sommer 2004 vollzogen, gut 200 Jahre nach der Eröffnung. Damals übernahmen die beiden in siebter Generation den elterlichen Betrieb.

Aus den Bestsellern Bauernfrühstück und Sauerfleisch wurden Steaks und Salate mit klarer Rollenverteilung: Die Damen bestellen den großen Salatteller mit Balsamicodressing, gebratenen Rinderstreifen und Baguette (9,90 Euro), die Herren wollen ihr Rumpsteak mit Champignons, Zwiebeln, Kräuterbutter und Bratkartoffeln (14,80 Euro). Hier scheint die Welt noch in Ordnung, die Bezeichnung idyllisch für das Marxener Landhotel nicht übertrieben. Gleich neben dem Feuerwehrmuseum kann der Küchenchef jetzt endlich auf großer Flamme kochen. Thomas Gieser hat trotz schwieriger Zeiten in hochmoderne Küchentechnik investiert. Schließlich weisen die Übernachtungszahlen dieses Jahr sogar ein leichtes Plus aus. Der gehobene Landhausstil mit vier Gasthaus-Sternen kommt an bei den Kunden. A` la carte wird vorsichtiger kalkuliert. Wirklich anspruchsvoll kocht Gieser eher dann, wenn er für Feiern gut planen kann.

Ich entscheide mich für ein Upgrade des femininen Salattellers mit Rinderstreifen und lasse das Ganze noch mit Ziegenkäse im Speckmantel belegen (+ 4,90 Euro). Köstlich! Vorweg die saisonal unvermeidliche Kürbissuppe (3,70 Euro). Leider wird weder zur Suppe noch vorweg zur Begrüßung Brot gereicht.

Auch hier stehen die Zeichen auf Gans. Die Tiere vom Züchter aus Schleswig-Holstein sind geordert. Los geht's bereits am 1. November. Dank der neuen Küche können zehn Gänse gleichzeitig garen, drei Stunden lang. Mindestens viermal öffnet Thomas Gieser währenddessen den Ofen und versorgt den Festschmaus. Der kommt danach nur als ganzes Tier auf den Tisch. Für 78 Euro werden vier Personen satt, dazu die Klassiker Rotkohl, Rosenkohl, Kartoffelklöße, Salzkartoffeln, Bratensoße und die herrliche Füllung aus Äpfeln und Rosinen.

Heidehotel Rieckmann

In Bispingen kam der Generationswechsel 2003. Drei Jahre später haben Gaby und Peter Reibold aufwendig renoviert und aus dem ortstypischen Gasthof das Tafelhuus gemacht. Fortan sitzen die Gäste umgeben von modernem Landhausstil und freuen sich über manch frische Idee aus der Küche. Die optische Verjüngungskur ist hier nämlich nur ein Grund dafür, dass von Krise keine Rede ist. Der andere heißt Michael Ehrlich. Mit ihm haben sich die Heidehoteliers einen der ambitioniertesten Küchenchefs der Region ins Haus geholt. Der neue Koch setzt voll auf regionale Esskultur und kennt fast jeden Erzeuger seiner Zutaten persönlich. Wildschweine und Rehwild kommen aus der eigenen Jagd des Seniorchefs. Bevor er in die Provinz kam, arbeitete der gebürtige Berliner in Sterneküchen und Restaurants jenseits der 14-Gault-Millau-Punkte.

Kreativität misst sich auch am Gespür für die Weiterentwicklung von Produkten. "Aus einfachen Dingen Besonderes machen", lautet sein Credo. Von einem Gast bekam Michael Ehrlich vor kurzem ein eingemachtes Glas mit schwarzen Walnüssen aus der Umgebung. Karamell, Portwein, Traubensaft und Gewürze inspirierten ihn zu "Heidetrüffeln". Die sind fortan raffiniertes Beiwerk neben Enten, Gänsen und Wildgerichten. Aktuelle Empfehlung: die nach Uroma Hannas Rezept zubereitete halbe Bauernente für 18,90 Euro. Ihr Fleisch ist herrlich zart, dazu Speckpflaumen, Apfelrotkohl und Kartoffelklöße. Die Enten wurden aus England eingeflogen und werden im Tafelhuus bis zu zwölf Stunden lang auf Niedertemperatur gegart. Vorher werden die Tiere mit Früchten gefüllt und genießen eine Massage mit Salz, Pfeffer, Majoran und Beifuß. Vorweg mundete übrigens eine Hokkaido-Kürbissuppe (4,90 Euro), die mal nicht so sämig daherkam wie momentan vielerorts. Das Restaurant von Ehepaar Reibold hat sich vom Sorgenkind zum Überflieger entwickelt. 15 Prozent mehr Umsatz im Krisenjahr bescheren gute Stimmung. Daran arbeiten 30 Personen im Heidehotel Rieckmann.