Auf Helgoland wurde sie 1909 geboren. 1945 musste sie ihre Heimatinsel verlassen. Aber immer noch schwärmt sie von dem Eiland und besucht es jedes Jahr.

Jesteburg. Elsa Lütjens stellt die wichtigste Frage, bevor der Besuch sich auf ihr Sofa setzen kann: "Waren Sie schon mal auf Helgoland?" "Wenn Sie noch nie da waren, dann müssen Sie unbedingt mal hin. Schon die Fahrt mit dem Dampfer ist ein Erlebnis, und Helgoland, mein Helgoland ist wunderschön." Auch wenn Else Lütjens seit 2003 schon in Jesteburg bei ihrer Tochter und Schwiegersohn Sigrid und Ullrich Sinkewitz lebt, die Hochseeinsel in der Nordsee bleibt ihr als Heimat im Herzen. Jedes Jahr fahren ihre Töchter ein Mal mit Elsa Lütjens nach Helgoland.

Elsa Lütjens feiert am Sonnabend im Kreise ihrer Familie ihren 100. Geburtstag in Jesteburg. Geboren ist sie am 24. Oktober1909 auf Helgoland. Es gebe nur sieben Menschen auf der ganzen Welt, die behaupten könnten, so Else Lütjens, "dass sie in Helgoland geboren sind. Eine davon ist meine Tochter, die ist damals im Zweiten Weltkrieg im Bunker geboren".

1909 - Fritz Hoffmann gelingt die synthetische Herstellung von Kautschuk, eine Erfindung von militärstrategischer Bedeutung, der Franzose Louis Blériot gelingt als Erstem der Flug über den Ärmelkanal, die Firma General Electric startet die Vermarktung des ersten elektrischen Toasters, und der Deutsche Flottenverein spricht sich für einen verstärkten Bau von Unterseebooten aus. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg nehmen am SPD-Parteitag teil, und das Deutsche Reich erkennt Marokko als Staat an. In diesem Jahr kommt Elsa Raeder als siebtes von insgesamt neun Kindern der Eheleute Raeder auf Helgoland auf die Welt.

Fünf Jahre ist Elsa alt, als der Erste Weltkrieg ausbricht, und Helgoland wird innerhalb von zwei Stunden evakuiert. "Es hieß, wir könnten in ein paar Tagen zurückkommen. Aus den wenigen Tagen wurden dann ganze vier Jahre", erzählt sie. Während dieser vier Jahre lebte die Familie in Hamburg. Bei der Frage, was für sie das Schlimmste an diesem Krieg gewesen sei, antwortet Elsa Lütjens ohne Zögern: "Ich habe damals meine Mutter verloren. Unser Vater kehrte dann nach vier Jahren mit uns neun Kindern, ich war gerade neun Jahre alt, zurück nach Helgoland." Aber in diesem Krieg hatte sie nicht nur ihre Mutter verloren. Ein Bruder war gefallen, ein zweiter wurde schwer verletzt und starb an den Folgen.

Nach dem Krieg lebte die Familie von Feriengästen, und 1937 heiratete die junge Frau Elsa Raeder den Küchenchef Adolf Lütjens vom Helgoländer Kurhaus. Vier Töchter kamen zur Welt, und 1944 erblickte die jüngste Tochter Brigitte während eines Bombenangriffs das Licht der Welt im Bunker neben ihrem Elternhaus. Mehrmals mussten die Helgoländer ihre Insel während dieses Krieges verlassen. Bei einem Fliegerangriff der Alliierten im April 1945, kurz vor Kriegsende, wurden alle Häuser auf der Insel zerstört, auch Elsas Geburts- und Elternhaus. Wieder wurde die Insel evakuiert. In diesem Krieg verlor Elsa Lütjens alle Brüder. Die Familie Lütjens landete wieder in Hamburg, dieses Mal in Harburg. An eine Rückkehr nach Helgoland war nicht zu denken. Die Familie blieb in Hamburg, aber noch heute vermisst Elsa Lütjens ihre Insel.