“Es gibt einem eine ordentliche Portion Selbstvertrauen, wenn man nach Jahren wieder einen geregelten Arbeitstag hat“, sagt Hans-Joachim Selzer und reibt seine von Fahrradschmiere schwarzen Hände an einander. Gelernt hat er das Reparieren von Fahrrädern nicht.

Wilhelmsburg. Und trotzdem, nach neun Monaten hat man schon ein wenig Übung, wenn man ein wenig handwerkliches Geschick hat, meint der 44-Jährige. Seit März arbeitet der Mann aus Altona als Aktiv-Jobber in der Fahrradselbsthilfe in der Veringstraße in Wilhelmsburg. Ins Leben gerufen wurde die Werkstatt von der Arbeitsloseninitiative Wilhelmsburg. Sie ist zudem verantwortlich für weitere Einrichtungen in der Umgebung, die Langzeitarbeitslosen den Weg zurück ins Berufsleben ebnen sollen. Dazu gehören zum Beispiel eine Computerselbsthilfewerkstatt und ein Second-Hand-Buchladen.

In der Fahrradselbsthilfe repariert Hans-Joachim Selzer nun seit einem dreiviertel Jahr gemeinsam mit sieben weiteren Ein-Euro-Jobbern Fahrräder für Menschen, die nur wenig Geld im Portemonnaie habe. Um eine Reparatur in Auftrag geben zu können, müssen Kunden ihre Bedürftigkeit nachweisen. "Alle, die Sozialhilfe oder eine Rente beziehen, schwerbehindert sind oder deren Einkommen unter einer bestimmten Grenze liegt, können hier ihr Fahrrad durchchecken lassen", sagt Sven Timmermann von der Arbeitsloseninitiative. "Dasselbe gilt für den Kauf von unseren Gebrauchtfahrrädern." Nach dem gleichen Prinzip wird in zwei weiteren Fahrradwerkstätten auf der Veddel und in Hausbruch gearbeitet. Und das passt perfekt zu einem weiteren Projekt der Arbeitsloseninitiative. Wilhelmsburg soll nämlich zu einer Fahrradstadt werden. "Dieses Projekt passt wunderbar zu den Stadtentwicklungsprojekten IBA und IGS", sagt Sven Timmermann von der Arbeitsloseninitiative Wilhelmsburg. "Wir denken einfach, dass eine solche Entwicklung den Stadtteil massiv aufwertet. Und wir merken, dass diese Idee immer mehr angenommen wird." Mit diesem Projekt werden also gleich zwei Aspekte vorangetrieben. Menschen werden aus der Langzeitarbeitslosigkeit wieder ins tägliche Berufsleben integriert und den Wilhelmsburgern wird das Fahrradfahren nahe gebracht.

Auch der 51 Jahre alte Friedhelm Holtermann, der seit längerem in der Wilhelmsburger Fahrradwerkstatt arbeitet, ist im Laufe der Zeit zum Fahrradfan geworden. "Ich freue mich, hier in der Werkstatt wieder etwas nützliches tun zu können", so Holtermann. "Zudem komme ich seitdem mit dem Fahrrad aus Altona zur Arbeit - und das bei jedem Wetter." Das Konzept der Arbeitsloseninitiative scheint also aufzugehen.

Aber diese positive Entwicklung wird von der Tatsache getrübt, dass die Arge in Hamburg zwölf Prozent der Stellen für Aktivjobber abschaffen will. Laut Informationen der Diakonie Hamburg sind bei der Arbeitsloseninitiative rund 70 Prozent der Ein-Euro-Jobs gefährdet. Die Leitung der Initiative reagiert auf diese Aussage momentan jedoch noch gelassen. "Das sind alles noch ungelegte Eier", sagt Sven Timmermann. "Es werden noch Verhandlungen geführt und erst wenn wirklich etwas feststeht, werden wir reagieren müssen." Natürlich trübe die Entwicklung die Stimmung unter den Mitarbeitern, jedoch werde erst Ende Dezember mit einer Entscheidung gerechnet. Bis dahin werden Fahrräder in den Werkstätten repariert. "Ich bin motiviert nach dieser Arbeitsmaßnahme wieder in der freien Wirtschaft durchstarten zu können", sagt Holtermann. "Denn ich habe in den letzten zwei Jahren nicht nur neue Qualifikationen, sondern auch eine große Portion an Selbstbewusstsein erlangt."