Sie waren aus Oelstorf im Landkreis Harburg nach Wilhelmsburg gefahren. “Um mal nach unserem Baum zu schauen.“ Der Baum von Anne (47) und Henning Schwieger (49) ist ein besonderer Baum auf der größten Flussinsel Europas. Es ist eine Eiche, genauer: ihre Hochzeitseiche.

Wilhelmsburg. Am 23. Mai 1986 haben Henning und Anne Schwieger, geborene Ganter, im Harburger Standesamt geheiratet und sind kurz darauf mit der Hochzeitsschar nach Wilhelmsburg gefahren. Dort warteten Freunde auf einer Wiese an der Ecke Mengestraße/Dratelnstraße. Sie schenkten dem Brautpaar die Eiche. Der Baum hatte einen Umfang von 15 Zentimetern, als Anne und Henning ihn pflanzten - der damalige Wilhelmsburger Ortsamtsleiter Bernhard Dey stand Pate.

Heute misst der Baum 105 Zentimeter im Umfang. Und jetzt soll er weg - weg mit elf anderen Hochzeitseichen von elf anderen Paaren. So sieht es der Bebauungsplan Wilhelmsburg 89 vor. Demnach sollen insgesamt 350 Bäume gefällt werden.

Dagegen haben am Sonnabend rund 50 "Engagierte Wilhelmsburger" protestiert. Sie sind gegen eine Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße in Richtung Osten auf die Bahngleise. Und gegen den Bau einer "Hafenquerspange" im Wilhelmsburger Süden.

"Wenn die Wilhemsburger Reichsstraße autobahngleich ausgebaut wird und auf die Bahngleise verlegt wird", sagt der Kirchdorfer Jochen Klein (40), "ist eine Anschlussstelle Wilhelmsburg-Mitte in Höhe der Rotenhäuser Straße vorgesehen. Die Dratelnstraße würde damit faktisch die Funktion des zentralen Autobahnzubringers erhalten." Die Kreuzung Mengestraße/Dratelnstraße müsste dann, so der Immobilienverwalter, "deutlich ausgebaut" werden - "dann müsste auch der symbolträchtige Hochzeitswald weichen". Derzeit ist die Dratelnstraße mit Tempo-30-Abschnitten versehen.

Für seine Ehefrau Melanie (37) sind die insgesamt zwölf Hochzeitseichen "ein Symbol für Bindung, Ewigkeit, Verlässlichkeit und Wachstum" - "schade, dass so ein Symbol zerstört werden soll", sagt die Art Directorin einer Werbeagentur.

Für Jochen Klein sind die Pläne der Senatorin für Stadtplanung und Umwelt, Anja Hajduk (GAL), "unverständlich": "Die Krux ist doch, dass an der derzeitigen Abfahrt Wilhelmsburg-Mitte das Eingangsgebäude der Internationalen Gartenschau und die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt gebaut werden soll. Dann ist an der Neuhöfer Straße natürlich kein Platz mehr für eine Abfahrt."

Der Wilhelmsburger Allgemeinmediziner Manuel Humburg fand die 15. Aktion der "Engagierten Wilhelmsburger" "spritzig und pieksig": Jochen und Melanie Klein wurden - symbolisch - von Rainer Böhrnsen aus Moorburg, Sprecher des Rundes Tisches Moorburg, getraut. Sven Lindhorst (41) aus Kirchdorf, maskiert mit einer Anja-Hajduk-Maske, und Deniz Erberk (40) aus dem Reiherstiegviertel, maskiert mit einer Ole-von-Beust-Maske, fällten mit einer Motorsäge Eichenstämme.

Manuel Humburg, er lebt in Moorwerder, sagte: "Wir laufen uns warm für die große Demonstration auf der Reichstraße am Sonnabend, 31. Oktober, um kurz vor 12 Uhr". Motto der Demo: "Keine Autobahn durch unsere Mitte - High Noon auf der Wilhelmsburger Reichsstraße". "Diese Demonstration ist wichtig geworden, weil Senatorin Hajduk mit ihrem Finanzierungsversprechen für die Verlegung der Reichsstraße den Dialog mit der Bevölkerung im Hamburger Süden abgebrochen hat", sagte der Hausarzt. "Damit konterkariert die Senatorin das von ihr initiierte, laufende Beteilungsverfahren."