Der Deutsche leidet gern mit anderen mit: 15 Millionen Menschen informieren sich per Internetbeiträge über Gesundheitsthemen.

Bendestorf. Das Angebot ist neu: Karlheinz S. (54) kann über seine Depressionen und Gonarthose (Verschleiß in seinen Kniegelenken) bloggen. "Mulle v." schreibt, dass sie vor einer Zahnoperation steht und Befestigungen für ihre Prothese eingesetzt bekommt. Und TV-Sternchen Jenny Elvers-Elbertzhagen gibt ein Interview zu ihrer Rolle in der ARD-Serie "Tierärztin Dr. Mertens". Das alles passiert im Internet bei "patientenwieich.de", ein soziales Netzwerk für Menschen, die sich über Krankheiten austauschen wollen. Hinter der Patienten Wie Ich GmbH steckt ein Start-up aus Bendestorf.

Wie lief die Therapie? Vertraust du der Diagnose? Das sind Fragen, die Menschen seit Jahrtausenden bewegen. Der technologische Fortschritt hat daran nichts geändert. Krankheiten und Wehwehchen, leiden und mitleiden - mehr als 15 Millionen Menschen in Deutschland informieren sich im Internet über Gesundheitsthemen. Da scheint es eine Erfolg versprechende Geschäftsidee zu sein, eine Art Selbsthilfegruppe im Internet ins Leben zu rufen.

Ende 2007 haben Andreas Ettwig (38), Journalist und Geschäftsführer des Senioren-Wohnsitzes in Bendestorf, und der Informatiker Siegmund Gorr (38) das Patientenportal gegründet. Dritter Beteiligter ist ein privater Investor, der namentlich nicht genannt werden möchte. Mittlerweile beschäftigt das Start-up zwei freie Mitarbeiter. Die Anzahl der direkten Wettbewerber ist überschaubar. Nur drei ähnliche auf Gesundheit spezialisierte soziale Netzwerke in Deutschland zählen die Bendestorfer zu ihrer Konkurrenz. "Ich glaube, dass der Markt hochattraktiv ist", sagt Andreas Ettwig.

Was "Patienten Wie Ich" von anderen unterscheidet: Die Mitglieder, die zum Beispiel ihren Therapieweg bloggen, verstecken sich nicht hinter anonymen Spitznamen. User müssen sich mit dem wirklichen Namen anmelden. Das soll für mehr Vertrauen in der Patientenfamilie schaffen.

Der Programmierer Siegmund Gorr, Geschäftsführer des Unternehmens, hat in wochenlanger Arbeit eine eigene Software für das soziale Netzwerk geschrieben. So könne "Patienten Wie Ich" Funktionen anbieten, die andere Seiten nicht hätten. Die Homepage ist nicht nur Forum, sondern auch Gesundheitsmanager. User können dort ihre Vitaldaten aufzeichnen, ihre Blutzuckerwerte oder ihre Bemühungen beim Abnehmen dokumentieren. Das kommt offenbar gut an: "Die Leute", so Andreas Ettwig, "suchen nach Instrumenten, ihre Gesundheit zu managen."

Wer tummelt sich in dem Patientenforum? Die meisten Nutzer sind älter als 35 Jahre, die Mehrheit sind Frauen. Sie wollen vor allem über vier Krankheiten reden: Multiple Sklerose, Parkinson, Depressionen und Diabetes. Die Schwerpunktbildung seiner User hilft dem jungen Unternehmen, bekannter zu werden. Die verschiedenen Internetsuchmaschinen registrieren die häufigsten Stichworte und hieven die Homepage aus Bendestorf auf ihren "Hitlisten" nach oben. "Beim Suchwort Multiple Sklerose sind wir ganz hoch im Ranking", sagt Andreas Ettwig.

Die Mitglieder lesen, bloggen und chatten kostenfrei. Dennoch ist "Patienten Wie Ich" ein gewinnorientiertes Unternehmen. Das Portal ist werbefinanziert, zurzeit noch über Google Adsense. Dieser Dienst stellt Werbung, in diesem Fall aus der Gesundheitsbranche, auf die Homepage und bezahlt pro Klick auf ein der Anzeigen.

Die junge Internetfirma aus Bendestorf schreibe inzwischen schwarze Zahlen, sagt Andreas Ettwig, und mache einen kleinen Gewinn. Vielleicht kommen bald 5000 Euro hinzu: So viel bekommen jeweils die drei Sieger des Gründungspreises 2009 im Landkreis Harburg, den die Wirtschaftsförderungsgesellschaft am 3. November verleihen wird. Die Patienten Wie Ich GmbH ist einer von insgesamt 21 aussichtsreichen Kandidaten.