Ein Hinterhof Am Berge, ein paar Mülltonnen stehen auf einer Stufe an der Wand unter einem schmucklos verputzen Spitzbogen. Hier stand vor 600 Jahren ein Kloster mit einer Kirche, deren Dachreiter im 13. Jahrhundert das höchste Gebäude der Stadt war.

Lüneburg. Heute ist nur noch ein unscheinbarer Rest erhalten: zwei grau verputzte Spitzbögen, die nun zum Patrizierhaus Nummer 35 gehören, dem Brömsehaus.

Ute Ohl (51) lebt noch nicht lange in Lüneburg. Ihr Geschäft für Stoffe und Wohnaccessoires Am Berge 34 betreibt sie seit einem Monat, doch sie weiß schon, dass sie auf ehemals heiligem Boden steht. "Ein Nachbar hat mir neulich erzählt, dass es hier im Hinterhof einen Friedhof und eine Kirche gab", so Ohl und deutet auf den Schotterplatz hinterm Haus. "Für eine Stadt wie Lüneburg ist es ja nichts Ungewöhnliches, hier trifft man überall auf Geschichte." Doch vom Kloster selbst habe sie nichts gewusst. Dass auf den spärlichen Überresten jetzt ihre Gemeinschaftsmülltonnen stehen, sei nicht so schön, aber aus Platzmangel nicht anders zu machen.

Beengt fühlten sich wohl auch die Mönche des Prämonstratenserklosters "Hilgendale" - eine Art Vorläufer des Bettelmönchklosters, das sie 1314 in Kirchgellersen gründeten. Denn sie siedelten schon kurze Zeit später nach Siebelingsborstel, dem heutigem Heiligenthal, über. Wohl wegen der unsicheren Zeit während des lüneburgischen Erbfolgekrieges trug man sich bald wieder mit Umzugsgedanken. Ein ummauerter und geschützter Ort sollte es sein.

Am 26. August 1383 zogen die Mönche feierlich durch das Rote Tor in Lüneburg ein. Das Klostergebäude mit der Andreaskirche umfasste einen Komplex zwischen den Straßen Am Berge, Wandfärber- und Conventstraße.

Der Westgiebel der Kirche ragte einst unmittelbar an der Straße empor und ordnete sich in die Reihe der benachbarten Bürgerhäuser ein. Einen eigenen Vorplatz besaß das Gotteshaus nicht. Von der Straße aus konnten die Besucher den heiligen Raum betreten. Die übliche magische Distanz, die die Menschen von den Benediktiner- und Franziskanermönchen gewöhnt waren, fehlte hier.

Doch die Geschichte des Klosters nahm keinen guten Verlauf: Die Prämonstratenser betrieben eine weltliche Schule in der Stadt. Darin sahen die Benediktiner einen Angriff auf das von den Landesherren verliehene Schulmonopol. Der heftige Streit ging bis vor den Papst. Immer wieder wurde der Kirchenbann über das Kloster verhängt und wieder aufgehoben.

Das Geld wurde knapp und so wurde 1437 erstmals Klosterbesitz veräußert. Um Ostern 1530 erhielt die Stadt Lüneburg den gesamten restlichen Besitz. Der Abbruch der Anlage bis auf die Kirche folgte 30 Jahre später. Das Baumaterial wurde teilweise für den Ausbau des Bardowicker Tores genutzt. Die Andreaskirche diente bis nach dem 30-jährigen Krieg als Salzspeicher.

"1715 vermochte die Dachkonstruktion den hohen Dachreiter nicht mehr zu tragen, so dass dieser abgetragen werden musste", schreibt Autor Elmar Peter in seinem Buch über "Lüneburg - Geschichte einer 1000jährigen Stadt". Der Salzhandel ging zurück und so wurde die Kirche 1801 endgültig abgebrochen. Übrig geblieben sind bis heute nur noch die beiden grau verputzen Spitzbögen unter denen die Mülltonnen von Ute Ohl und den anderen Mietern des Hauses einen Platz gefunden haben.