Als Studenten haben wir uns noch gesiezt, zum Du ging man erst dann über, wenn man sich näher kannte. Lange her! Heute würde die Anrede “Sie“ an der Uni unter den übrigen Studenten nur Kopfschütten auslösen.

Man könnte lange über die Vorzüge und Nachteile den Siezens und Duzens diskutieren, aber muss ich mich von Leuten duzen lassen, die ich gar nicht kenne? "Auf der A 1 zwischen Harburg und dem Rasthof Stillhorn müsst ihr höllisch aufpassen, da liegen Reifenteile auf der Fahrbahn", tönt es mir aus dem Autoradio entgegen. Zugegeben, der Sender richtet sich mit seinem Musikprogramm an sehr junge Leute, die sich untereinander nur noch duzen.

Ich gehöre schon lange nicht mehr zu dieser Generation. Soll ich deshalb beim Sender anrufen und losschimpfen: "Hören Sie mal, ich verlange den mir zustehenden Respekt und möchte mit Sie angeredet werden?" Das wäre doch peinlich und würde zu Lachern auf der anderen Seite führen. Außerdem, meinetwegen dürfen Sie auch mich alten Kerl duzen, meine Damen und Herren vom Jugend-Rundfunk. Aber vollendete Umgangsformen waren nie aus der Mode und liegen gerade jetzt im Trend. Das altehrwürdige Buch "Über den Umgang mit Menschen" des Freiherrn Adolph von Knigge, 1788 zum ersten Mal erschienen, ist wieder modern. Wer möchte denn zum Beispiel beim Vorstellungsgespräch mit einem Du an die falsche Person mit beiden Füßen im Fettnäpfchen stehen?