Janina Lüdemann ist Niedersachsens beste Bäckergesellin. Sie ist 21 Jahre jung, liebt ihren Beruf. Nur das frühe Aufstehen muss nicht sein.
Buchholz/Wittorf. Wenn andere resigniert die Fernbedienung aus der Hand legen, sich mit letzter Kraft ins Schlafzimmer schleppen und müde ins Bett fallen, klingelt bei Janina Lüdemann der Wecker. Punkt 0.30 Uhr muss sie raus - aufstehen, fertig machen, zur Arbeit fahren. Gegen 2 Uhr steht sie in der Backstube, formt die ersten Teigberge, garniert zahllose Kuchen.
Auch nach drei Jahren Berufserfahrung fällt ihr das nächtliche Wecken nicht leicht. Sie ist zwar die beste Bäckergesellin Niedersachsens, aber mit dem frühen Aufstehen hadert sie noch immer. "Zur Prime-Time gehe ich schlafen", sagt die 21-Jährige. Jeden Abend um 20 Uhr. Einen Blockbuster habe sie deshalb schon lange nicht mehr gesehen. Doch dieses Opfer kann die Buchholzerin verschmerzen. Sie will in ihrem Job etwas erreichen. Und ihre grünen Augen füllen sich mit Stolz, wenn sie von ihrem Sieg beim Leistungswettbewerb spricht. Es scheint so einfach, Niedersachsens Backkönigin zu werden: "Ich musste eine Torte machen, dann ein Schaustück formen und dazu noch ein paar Weizen- und Plunderstücke backen." Klingt simpel, war es aber nicht. Die Backwaren mussten zum Thema "60 Jahre Bundesrepublik" passen und in knapp bemessenen fünfeinhalb Stunden fertig sein.
"Meine Sahnetorte habe ich mit einer 60 verziert, mein Schaustück war ein kunstvoll geflochtener Bundesadler", so die Bäckerin. Diese einfallsreichen Kreationen haben die Jury überzeugt. Janina wurde Landesbeste, setzte sich gegen vier weitere Finalisten (3 Frauen, 1 Mann) durch und fährt im November nach Weinheim zur Deutschen Meisterschaft. In Baden-Württemberg trifft sie auf die "Besten der Besten", wie die 21-Jährige sagt. Oder, anders formuliert: "Ich habe ganz schön Schiss!"
Sie will den Wettbewerb angehen, wie sie schon den Landeswettbewerb angegangen ist: "Ich habe nach der Arbeit täglich zwei Stunden geübt." Training nach Bäckerart: Torten zaubern, Brötchen backen - Handwerk eben. Eine gute Vorbereitung sei alles!
Diese professionelle Einstellung, weiß auch ihr Chef zu schätzen. In Wittorf, bei "De Heidbäcker", wird ihr Ehrgeiz unterstützt. Geschäftsführer Hanspeter Heyden ist stolz auf Janina: "Sie ist ein Rohdiamant, den es zu schleifen gilt", sagt der Chef von 75 Mitarbeitern. Sie ist die erste Bäckerin seines Unternehmens, die Landesmeisterin geworden ist. Darum meint er, Janina solle "üben, üben, üben", um ihre Fertigkeiten zu verfeinern.
Aber was muss ein guter Bäcker können? Was muss er mitbringen? "Er muss Spaß am Beruf haben", meint der Chef. "Entweder, die Lust kommt in den ersten zwei Wochen - oder gar nicht mehr." Janina meint: "Man muss früh aufstehen können, kreativ sein, die 40 Grad in der Backstube ertragen und das Rechnen beherrschen." Außerdem dürfe man nicht zimperlich sein, wenn Teig geknetet oder ein 25-Kilo-Sack gewuchtet werden muss: "Für zarte Mädels ist das nichts."
Über das Sack-Wucht-Stadium ist die Gesellin, die in Buchholz ausgebildet wurde, hinweg. "Ein Bäcker muss sich spezialisieren", sagt Hanspeter Heyden. Darum steht Janina nun vorrangig in der "Kuchenecke" der Backstube, schürft Sahne und pinselt Obstbrei auf Tortenböden. "Das habe ich während meiner Ausbildung kaum gemacht, es ist etwas Neues. Man lernt auch als Gesellin nicht aus." Das Streben nach weiterer Qualifikation wohnt ihr inne. Spätere Meisterschule nicht ausgeschlossen.
Es scheint, als sei Niedersachsens beste Bäcker-Gesellin eine handwerkliche Allrounderin. Brötchen, Brot, jetzt Kuchen - alles kein Problem, oder gibt es auch Schwächen? "Torten sind noch nicht mein Ding. Das muss ich noch üben", sagt Janina. Während des Landeswettbewerbs sackte ihre Sahnekreation etwas zusammen. Das sahen auch die Prüfer. Wenn sich im November die deutsche Bäcker-Elite trifft, soll das nicht passieren.
Bis dahin trottet sie mit dem Alltag. 0.30 Uhr aufstehen. 20 Uhr ins Bett. Zeit für ein Hobby oder ausschweifende Wochenendpartys bleibt da nicht. Dementsprechend lautet auch ihre Antwort auf die Frage, was sie in ihrer Freizeit macht: "Ausschlafen!"