Randale nimmt laut Verwaltung zu, Bürger gehen abends mit Unbehagen in die City. Doch die Statistik zeigt keine Auffälligkeiten.

Winsen. Der letzte Ausbruch sinnloser Zerstörungswut entlud sich im Luhe-Park. Sieben Skulpturen des Künstlers Paul Dominik wurden am 5. September umgestoßen, geradezu geköpft und letztlich gestohlen. Schaden: rund 30 000 Euro. Diese Tat ist nur der vorläufige Schlussakkord einer ganzen Reihe von Sachbeschädigungen, die in Winsen scheinbar Konjunktur haben.

Stadtsprecher Theodor Peters hat "den persönlichen Eindruck", dass die Stadt mehr Strafanzeigen gegen unbekannte Randalierer stellt als jemals zuvor. "Nicht nur als Mitarbeiter des Rathauses, auch als Privatmann verzeichne ich zunehmende Verwüstungen in der Stadt", so Peters. Laternen, Wände, zuletzt das Kunstwerk auf dem Schlossplatz - nichts sei vor den nächtlichen Übergriffen sicher. Am Morgen danach sei es mitunter "erschreckend", durch die Stadt zu gehen.

Dass diesen Eindruck auch andere haben, zeigt eine kleine Randnotiz: Gymnasiumsleiter Reinhard Haun etwa ließ die neue Wetterstation der Schule sicherheitshalber einzäunen. Als Schutz vor Unholden. "Man weiß ja nie", so Haun, der ebenfalls eine negative Tendenz ausgemacht haben will: "Der Vandalismus hat in den vergangenen Jahren zugenommen", sagt er. "Leider muss man konstatieren, dass auch Winsen in der Wirklichkeit angekommen ist." Zwar halte sich seit der Videoüberwachung am Gymnasium die Zahl der Sachbeschädigungen in Grenzen, "aber die Hemmschwelle, fremdes Eigentum zu zerstören, ist deutlich gesunken". Nennenswerte Vorfälle gab es zwar in letzter Zeit nicht an der Schule. "Doch wir haben manchmal Probleme, die straffällig gewordenen Jugendlichen mit aufgebrummten Sozialstunden unterzubekommen", so Haun.

Ulrich Grimm, Leiter des Winsener Kriminaldienstes, bestätigt, dass es "punktuell Probleme mit Sachbeschädigungen" gebe. So sei der Eckermann-Park nach den letzten Vorfällen "wohl nicht geeignet, wertvolle Sachen zu beherbergen". Gerade in dunklen Ecken der Stadt gebe es immer wieder Fälle von zerstörten Bänken, angezündeten Papierkörben oder demolierten Autos. Hingegen beobachte der Beamte, ohne für mehr Überwachung plädieren zu wollen, dass am Bahnhof und am Gymnasium die Videoaufzeichnungen dazu führen, dass die Zahl der Straftaten sinkt. "Gerade am Bahnhof hatten wir in der Vergangenheit schwere Übergriffe. Das hat sich mittlerweile gelegt", so Grimm.

Wer sich in der Winsener Innenstadt umhört, bekommt meistens nur eine Antwort: "Abends gehe ich nicht mehr raus. Nicht in die Innenstadt. Da habe ich zuviel Angst." Worte einer älteren Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte - aus Furcht vor Übergriffen. "Ganz komische Gestalten treiben sich hier rum", sagt sie noch, bevor sie weitergeht. Diese "seltsamen Gestalten" hat auch eine Floristin in der Innenstadt ausgemacht - trotz City-Wache der Polizei. Mit Sachbeschädigungen habe sie in jüngster Vergangenheit nicht zu tun gehabt. "Aber bei mir wurde dreimal eingebrochen", sagt sie. Abends gehe auch sie nur ungern durch die Innenstadt. Erstens sei dann sowieso "tote Hose", zweitens hat auch sie Angst vor Pöbeleien oder Schlimmerem. Ihren Namen will sie ebenfalls nicht veröffentlicht wissen.

Von diesen subjektiven Wahrnehmungen lässt sich die Polizei nicht leiten. So seien etwa Sachbeschädigungen, sagt Polizeisprecher Jan Krüger, auch immer "saisonal bedingt". Soll heißen: Im Sommer, wenn die Tage länger und wärmer sind, lüden laue Temperaturen zum Gelegenheitsvandalismus ein. In der Jahresmitte gebe es demnach immer einen Anstieg der Fallzahlen. "Eine signifikante Steigerung der Anzeigen können wir jedenfalls nicht verzeichnen", so Krüger. Die Statistik zeige keine Auffälligkeiten: Wurden im Jahr 2007 noch 226 Sachbeschädigungen zur Anzeige gebracht, waren es im Folgejahr 256. "In diesem Jahr werden wir wohl die Zahlen aus dem Jahr 2008 erreichen", so Krüger. Deshalb sehe die Polizei keinen akuten Handlungsbedarf.

Ob sich das Verhältnis "subjektive Wahrnehmung" zu "tatsächliche Straftaten" im Jahr 2009 ausgleicht, ist ungewiss. Die Statistik liegt noch nicht vor. Eine gewisse Grundverunsicherung unter den Bürgern ist indes festzustellen. Im Jahr 2010 sollen in Winsen Bürgerstreifen Patrouille gehen. Freie Winsener und CDU hatten dies beschlossen. Das Projekt, das zusammen mit der Polizei umgesetzt werden soll, ist umstritten. Die Gegner sagen, die Kreisstadt sei nicht derart unsicher, sie halten nichts von "Hilfs-Sheriffs". Die FDP macht mobil gegen die zivilen Ordnungshüter. Unter anderem kritisieren die Liberalen den Eingriff in die persönliche Freiheit.