Ob Karaoke-Show im “Old Dubliner“ oder Unplugged Blues Night im “Leben! Heimfeld“ - ein Auftritt der Gäste ist erwünscht.

Harburg. Da soll noch mal einer behaupten, in Harburg sei nichts los! Zwei Death-Metal-Musiker entern die Bühne im Irish Pub "The Old Dubliner" - und singen mit Inbrunst Pop-Schnulzen. Nach drei Jahren Pause hat Harburg wieder eine Karaoke-Show. Und das ist noch nicht alles: Bei der "Unplugged Blues Night" im "Leben! Heimfeld" jammen Gastmusiker an jedem ersten Donnerstag im Monat, was das Zeug hält. Karaoke und Jamsession, die Neuheiten für Pistengänger in Harburg, hatten am Donnerstag jeweils Premiere.

Donnerstagabend, kurz nach 21 Uhr im "The Old Dubliner" in der Lämmertwiete: Man könnte meinen, das leicht zerknirschte rosa Show-Sakko müsste den Gemütszustand seines Trägers widerspiegeln: Ganze drei Gäste, etwa um die 20 Jahre alt, haben sich in die Nähe der Bühne mit "Karaoke-Meister" Thomas Helmke getraut - und mit fünf Metern ist der Sicherheitsabstand noch respektabel. Doch der Entertainer aus Stade, Herr über mehr als 6500 Hits in Instrumentalversion, bleibt gelassen: "Es ist immer schwer, Neues in Kneipen anzufangen."

Der Optimismus verbreitende Mann in Rosa soll Recht behalten. Eine Krankenschwesterauszubildende aus Neugraben bricht das Eis. Tatjana (20) schnappt sich das Mikrofon. Der Karaoke-Meister droht zwar noch dem Publikum: "Wer lacht, kommt auf die Bühne!" Aber derartigen Schutz hat Tatjana gar nicht nötig. Sie singt ihren Lieblingssong "When you believe", sonst ein Duett von Mariah Carey mit Whitney Houston, mit Bravour. Sogar mit Gesten, nicht in der meist typischen Karaoke-Pose: mit einer Hand in der Tasche und leicht nach vorn gebeugt mit starrem Blick auf den Monitor. Nö, sagt Tatjana, sie singe in keiner Band. "Wenn ich dusche, mache ich Musik an und singe."

Hat Öffentlichkeitsarbeiterin Michi (41) zuvor stets behauptet, in den Songbooks sei nichts Passendes für sie dabei, steht sie jetzt doch auf der Bühne - und geht gar nicht mehr runter. Nach "Der Tag, als Conny Kramer starb" gibt sie noch vier Songs zum Besten. Spötter mögen meinen, Karaoke sei "Deutschland sucht den Superstar" für noch Ärmere oder einfach eine Krankheit. Aber der Abend im Irish Pub zeigt: Karaoke scheint ein Spaßvirus zu sein, das sich schneller verbreitet als die Schweinegrippe.

Sogar Pub-Chefin Kirsten Thiesen-Czeskleba (37) ist infiziert und sing ein Duett mit Arne (31). Ein Moment für die Ewigkeit? "Das ist das erste und einzige Mal, dass ich nüchtern auf der Bühne stehe", ruft sie ins Publikum. Das Karaoke-Fieber ist längst ausgebrochen. Und dann passiert Legendäres: Chris (22) aus Neuwiedenthal und sein Kumpel Felix (23), beide sonst Musiker in der Death-Metal-Band "Only Death Decides", singen "I got you babe" von Sunny und Cher und weitere Popschnulzen - mit großen Gesten und Tanzeinlagen. Nicht zu toppen.

"Ich finde, Harburg sollte auch den jungen Leuten etwas bieten", sagt Kirsten Thiesen-Czeskleba. Karaoke ist jetzt immer an den ersten drei Donnerstagen des Monats im "The Old Dubliner" in der Lämmertwiete.

Wer gar live mit einer Band musizieren möchte, ist bei der "Unplugged Blues Night" in der Café-Kneipe "Leben! Heimfeld" richtig. Für die monatliche Jamsession, immer am ersten Donnerstag im Monat, haben Heiko Brockmann (46, Gitarre) von der Musikschule Heimfeld, Mitch Link (42, Schlagzeug) und Kai Lüdemann (53, Bass und Gesang) eine Hausband der Kneipe gegründet. Sie spielen mit Gastmusikern, die sie eingeladen haben - oder die sich selbst einladen. Die Idee hatte Heiko Brockmann: "Harburg hat so gut wie keine Veranstaltungsorte. Ich dachte, wir probieren das." Bei der Premiere ist Harburgs und Heimfelds Musikszene versammelt. Am Tresen ist auch Wolfgang Jensen, der mit Clowns & Helden einst groß im Geschäft war. Wegen Lärmauflagen spielt die Band "unplugged". Kai Lüdemann bringt deshalb ein eigenartiges Gerät mit, das einem Hamsterkäfig ähnelt. "Das ist ein solarbetriebener Mundharmonika-Verstärker", erklärt er, "habe ich selbst gebaut."

Die Band beginnt mit "Sweet home Chicago". Zwischendurch jammen sie, auf Zunicken spielt jeder mal ein Solo. Jeder Sitzplatz ist besetzt. Jüngere Gäste führen leise ihre Gespräche fort - applaudieren aber höflich. Andere sitzen vor ihrer Astra-Knolle oder einem Glas Wein und lauschen. Nicht in Ekstase - aber der Fuß wippt schon einmal mit.

Die nächste Jamsession an der Heimfelder Straße 21 ist am Donnerstag, 5. November, um 20 Uhr.