Es war nur ein Stück lebendiger Politik-Unterricht, aber die Gymnasiasten nahmen ihre demokratische Rolle sehr ernst.

Neu Wulmstorf. Schlange stehen in den Wahllokalen, heiße Politikdiskussionen vor der Stimmabgabe - an den Wahltagen der vergangenen Jahre waren Bilder wie diese bei uns eine Seltenheit. Nicht so am Gymnasium Neu Wulmstorf. Die Schüler von der 9. bis zur 13. Klasse hatten bereits gestern die Möglichkeit, ihre Stimme bei der "Juniorwahl" abzugeben. Beeinflussen können die rund 600 Schüler mit ihrer Stimmabgabe das Wahlergebnis am 27. September zwar nicht, aber der Wahlbeteiligung von rund 90 Prozent tat dies keinen Abbruch.

"Ich nehme diese Wahl sehr ernst, denn man kann sich nie früh genug Gedanken über die Politik machen", sagt Schüler Leonard Farwich. "Bei der nächsten echten Wahl werden wir auch dabei sein. Und ich freue mich schon, an der Demokratie teilhaben zu können." Der 17-Jährige hofft, dass auch seine Mitschüler die Wahl ähnlich Ernst nehmen wie er. "Ich befürchte, dass es auch hier Leute geben wird, die einfach aus Spaß eine der kleinen Parteien wählen werden", so Farwich. "Aber wollen wir mal hoffen, dass das nicht zu viele sind."

Initiiert wurde die Aktion an der Neu Wulmstorfer Schule von Politiklehrer Arne Koch, der auch die vorangegangenen Aktionen zum Thema Wahl koordiniert hatte. "Das Politikinteresse wurde besonders von der Podiumsdiskussion vor einigen Wochen angeheizt", sagt der 33-Jährige. "Die zur Wahl stehenden Personen waren für die Schüler wirklich einmal präsent. Da war es einfacher, sich eine Meinung zu bilden." Die Kandidaten des Wahlkreises hatten, wie berichtet, am 27. August den Jugendlichen in einer Schulveranstaltung Rede und Antwort gestanden. Auch auf anderen Ebenen bereiteten die Schüler sich auf die Wahl vor: Die verschiedenen Programme wurden in den jeweiligen Politikkursen diskutiert. Zudem wurde der sogenannte Wahl-O-Mat aus dem Internet ausprobiert. "Auch wenn viele der Schüler noch nicht erwachsen sind, bin ich davon überzeugt, dass sie sich alle eine fundierte politische Meinung bilden können", sagt Koch.

Nach Meinung des Lehrers seien sich die Schüler mittlerweile darüber bewusst, dass sie mit der Teilnahme an Wahlen die Politik und damit auch ihre eigene Zukunft mitgestalten. Ein Viertel der Jugendlichen, die bei der Juniorwahl abgestimmt haben, werden auch am 27. September ihre Stimme auf Bundesebene abgeben können. Die beiden Schülerinnen Anne-Lena Kowalka und Janine Bade würden auch gerne an der "echten" Abstimmung teilnehmen, sind mit ihren 16 Jahren jedoch noch nicht dazu berechtigt. Gestern waren sie als Wahlhelferinnen für den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung zuständig. "Unser Kurs hat die Juniorwahl organisiert", sagen die Schülerinnen während sie die Wahlscheine der beteiligten Schüler entgegennehmen. "Und es läuft wirklich so ab, wie bei einer echten, geheimen Wahl." Per Mausklick konnten die Jugendlichen die gleichen Kandidaten wählen, wie bei der Bundestagswahl. Und sie machten das aufgrund des Wissens aus dem Unterricht besonders gewissenhaft. "Wir haben gelernt, dass man mit der Erst- und Zweitstimme systematisch wählen kann", erklärt Max Dormann. "Trotzdem bin ich der Meinung, dass das Ergebnis der Schülerwahl anders ausfallen wird, als das am Abend des 27. September."

Wie bereits vor der Europawahl hatten sich die Schüler mit den politischen Fragen auseinander gesetzt, die sie unmittelbar betreffen: Bildung, Umwelt, Familie und Arbeit. "Nur wer mitwählt, kann bestimmen, was für eine Politik gemacht wird", sagt der 17 Jahre alte Max. "Und was noch viel wichtiger ist: Man kann dafür sorgen, das die Falschen nicht an die Macht kommen." Auch wenn die Schüler bereits gestern gewählt haben, wird das Ergebnis erst am Abend des 27. September auf der Homepage veröffentlicht werden.