So ein mehr als 150 000 Euro teures 200-PS-Ackerfahrzeug für den modernen Landwirt steckt voller Technik und Elektronik.

Marxen. Darf ich mal? Die Antwort lautete "Ja", und so saß ich schon kurze Zeit später bei der Firma "Schlichting Landmaschinen" in Marxen selbst am Steuer eines modernen Traktors vom Typ John Deere 7530 Premium, Baujahr 2009, neueste Version. Auf den Geschmack gebracht hatte mich ein Traktorentest der Niedersächsischen Landwirtschaftskammer in Oldenburg. Zehn Traktoren der 140 PS-Klasse hatten die Agrarexperten unter die Lupe genommen, um Bauern Empfehlungen geben zu können, welcher Traktor für ihre Bedürfnisse der Beste ist. Für Stadtmenschen gibt es dabei viel einfachere Fragen zu beantworten - nämlich, wie fährt sich so ein Koloss und was kann der alles?

Dipl.-Ing. Michael Kopka (38), Spezialist für Agrarmanagementsysteme und Erntemaschinen bei Schlichting, fällt ein kurzes Vergleichsurteil zu modernen Traktoren und handelsüblichen Autos: "Autos sind Knackwurst", meint er trocken, "so ein Traktor ist dagegen ein Hightech-Produkt." Mit GPS-Navigationsgerät an Bord könnte er beispielsweise bis auf zwei Zentimeter genau Furchen über den Acker ziehen. In Zukunft könnte der Bauer zu Hause bleiben und den Trecker allein ackern lassen. Noch ist das nicht erlaubt.

Mich beeindruckt zunächst einmal die Größe des 7530 Premium. Seine Hinterreifen von 1,95 Meter Durchmesser und 71 Zentimeter Breite (Stückpreis etwa 3000 Euro) ragen mir über den Kopf, nach dem Aufstieg über vier Stufen in die Fahrerkabine, Sitzhöhe zwei Meter, führt der Blick ins Unbekannte. Das Lenkrad ist als ein solches noch zu identifizieren. Die Pedalerie gibt mir hingegen mit zwei Bremspedalen Rätsel auf. Gut, dass Kopka auf dem kleinen Beifahrersitz Platz genommen hat und ansagt, was zu tun ist. Der 200 PS starke Sechszylinder-Reihendieselmotor läuft relativ ruhig und leise, das stufenlose Automatikgetriebe reagiert auf Vorwärts- und Rückwärtsbefehl, treibt Vorder- und Hinterräder hydraulisch an, Drehzahlmesser und Tachoanzeige sind auf einem Digitaldisplay untergebracht. Die vielen Hebel und Schalter rechts neben dem Sitz sollten mich nicht weiter interessieren, sagt Kopka, damit ließen sich Anbauteile wie Frontlader, Pflug oder Kraftheber steuern. Die Klimaautomatik in der Kabine sorgt für angenehme Temperaturen. Abfahrt. Kein aufheulender Motor beim Gasgeben. Die Automatik regelt das. Und schon nach kurzer Zeit ist die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erreicht. Die wulstigen Reifen federn unter den acht Tonnen Last des Traktors auf und ab. Der Schwingsitz des Fahrers federt ebenso und die elektronisch gesteuerte hydraulische Lenkung vermittelt wenig spürbaren Kontakt zur Fahrbahn. Der Tritt auf die Bremse - beide Pedale sind zusammengeschaltet, lassen sich nur bei Bedarf links und rechts trennen - sorgt für raschen Stillstand. Blicke in die großen Rückspiegel, Blinker, Rückwärts-Fahrstufe, Wende, Vorwärtsfahrt. Die hydraulische Lenkung lässt sich auch im Stand kinderleicht drehen. Und der Rückweg mit Tempo 50 sorgt schon für Gewöhnungseffekte. Das schwammige Fahrgefühl wirkt bereits weniger störend. Am Ziel angekommen, Anhalten, Motor aus. Im Gelände muss ein solcher Traktor wirklich ein Alleskönner sein. Aber auf der Straße verlasse ich mich lieber auf mein Auto. Auch wenn es im Gesamtvergleich "Knackwurst" sein mag.

Was kostet denn ein John Deere, Typ 7530 Premium"? Ohne Navigation gut 130 000 Euro plus Mehrwertsteuer. Mit Navigation bis zu 40 000 Euro mehr. Mit Common Rail Direkteinspritzung und Filtertechnik erfüllt der Dieselmotor alle aktuellen Abgasvorschriften. Der Tank fasst 395 Liter Kraftstoff. Das reicht für einen harten Arbeitstag. Laut Werbung zählt er zu den sparsamsten Traktoren. John Deere gilt als größter und umsatzstärkster Landmaschinenhersteller der Welt - Produktpalette vom Rasenmäher für 500 Euro bis zum Häcksler für 400 000 Euro. Das US-Unternehmen hatte 1956 die Aktienmehrheit an dem deutschen Traktorenhersteller "Heinrich Lanz AG Mannheim" (berühmt durch den Lanz Bulldog) übernommen. Heute stellt das Werk jährlich etwa 40 000 John Deere-Traktoren der 80 bis 200 PS-Klasse für den weltweiten Markt her. Etwa 90 Prozent werden exportiert. In den USA baut John Deere Großtraktoren der 200 bis 600 PS-Klasse. Schade, dass diese Giganten in Marxen nicht für eine Probefahrt zur Verfügung standen.