Eine der Trassen würde dicht am Kinderbauernhof vorbeiführen. Die Bürger nennen das chaotisch.

Wilhelmsburg. Es ist "Fünf vor Zwölf", da nehmen es die Engagierten Wilhelmsburger ganz genau. Wie bei den Protestveranstaltungen in den vergangenen Wochen war diese Uhrzeit wieder Programm bei einer Demonstration der Initiative, diesmal rund um den Kinderbauernhof am Stübenhofer Weg unter dem Schlachtruf "Autopläne zerstören Kinderträume". "Mit unseren Aktionen wollten wir darauf aufmerksam machen, wie chaotisch und unüberlegt die Verkehrsplanung des Senats sind", sagt Jochen Klein, einer der Initiatoren der Veranstaltung. "Wir nehmen es nicht einfach so hin, dass direkt an unserem Wohngebiet zwei Autobahnen gebaut werden sollen. Besonders Wilhelmsburg-Ost würde dabei massiv an Lebensqualität einbüßen."

Bereits jetzt ist das Kirchdorfer Wohngebiet von Verkehrsbelastungen betroffen - einerseits durch die Bahntrassen östlich des Gebiets und im Westen von der A 1. Wenn die Reichsstraße verlegt und die Südtrasse einer Querspange gebaut ist, dann ist Schluss mit der Idylle, meinen die Wilhelmsburger. Und als eine idyllische Wohngegend empfinden die Anwohner ihr Wilhelmsburg, trotz des in ganz Hamburg immer noch vorherrschenden schlechten Rufs. Deshalb hat sich das Ehepaar Melanie und Jochen Klein vor einigen Jahren auch dazu entschieden, aus Winterhude nach Wilhelmsburg zu ziehen und dort zu bauen. "Wir haben den Sprung über die Elbe gewagt", sagt die 37 Jahre alte Grafikdesignerin. "Und wir fühlen uns wohl hier, denn wir haben einen Elbstrand und Naturschutzgebiete direkt um die Ecke und sind in zehn Minuten in der City."

Doch einer Tatsache ist sich das Ehepaar bewusst: Wenn die Autobahnen kommen, dann wird es schwer, sich in Wilhelmsburg wohl zu fühlen. "Wir wohnen jetzt schon direkt an der Bahn. Unser Grundstück grenzt an die Lärmschutzwand der Eisenbahn", erklärt Immobilienverwalter Jochen Klein. Bereits jetzt wollen einige ihrer Nachbarn ihr Grundstück verkaufen. Jochen Klein befürchtet eine Halbierung des Verkaufserlöses, allein durch die Autobahnpläne. "Und der Politik geht es nur darum, die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten - und wenn das gewährleistet ist, dann ist alles andere egal." Rund 70 Meter Luftlinie von ihrem Garten entfernt würde die Autobahntrasse verlaufen, eben direkt neben der Bahn, wie die Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk (GAL) es immer wieder betont. "Dass aber auch Wohngebiete direkt neben der Bahn liegen, das wird nicht bedacht", so Melanie Klein. "Und für uns wäre das ein Dauerlärm und eine massive Feinstaubbelastung", fügt ihr Ehemann hinzu.

Als besonders widersprüchlich empfinden die Wilhelmsburger, dass der Senat einerseits den Sprung über die Elbe massiv vorantreiben will, mit den geplanten Autobahnen durch Wilhelmsburg die Lebensqualität aber deutlich senken würde. "Was sich die Politik hier vorstellt, das würde sie sich nie in einem anderen Stadtteil trauen", so das Ehepaar. "Und deshalb lassen wir das einfach nicht mit uns machen." Die Engagierten Wilhelmsburger, eine Gruppe von rund 20 Initiatoren und weit über 100 Unterstützern, aus Moorburg, der Veddel, Moorwerder, Borstelbek, Appelbüttel, Wilhelmsburg und Georgswerder plant, an jedem weiteren Wochenende eine Aktion zu starten. Jetzt war es der Kinderbauernhof, in der nächsten Woche werden sie mit einem Info-Stand an der Kornweide in Wilhelmsburg stehen. "Wir werden uns nicht geschlagen geben", sagt Klein. "Denn die Autobahnpläne des Senats zerstören Lebensträume im Hamburger Süden."