Der Angeklagte feuerte fünf Mal mit einer Kleinkaliberwaffe. Seine Ex-Frau: “Es war der blanke Horror.“

Harmstorf/Stade. Einige Stunden vom Ostersonntag dieses Jahres möchte Gerd M. (43) heute am liebsten ungeschehen machen. "Alles, was passiert ist, tut mir wahnsinnig leid", sagt M., der sich gestern vor dem Stader Landgericht wegen heimtückischen Mordes an dem Freund seiner Ex-Frau Christine M. (41) verantworten musste. Denn am Ostersonntag hatte Gerd M. (43), Sportschütze aus Harmstorf, die Nase voll. Von seiner Ex-Frau Christine und von ihrem neuen Freund Christian F., die er turtelnd beim Harmstorfer Osterfeuer gesehen hatte. "Das konnte ich nicht ruhig mit ansehen. Als ich über den Festplatz ging, lachte Christine mir auch noch so demonstrativ zu. Ich wurde sauer." Er ging nach Hause, versuchte seinen Beziehungsfrust mit Alkohol herunterzuspülen. Allerdings: "Das gelang mir nicht." Nach dem Genuss diverser Biere und einer Flasche Rum schnappte er sich gegen 1 Uhr seinen Kleinkaliberrevolver, den er für Wettkämpfe und Übungsschießen beim Schützenverein benutzte und zu Hause im Safe deponiert hatte und ging zum Haus seiner Ex-Frau. Der Sohn von Christine M. ließ ihn rein, M. unterhielt sich noch kurz mit ihm, ging dann in das erste Stockwerk. Der Wohnungsschlüssel steckte von außen in der Tür, Gerd M. ging rein, fand Christian F. im Schlafzimmer. Dort hatte er sich im Wasserbett ausgestreckt. Seinem Wasserbett. Christine M. rauchte unterdessen im Wohnzimmer eine Zigarette.

Immer wieder drückte Gerd M. ab, lud immer noch einmal seinen Revolver durch, schoss fünf Mal, bis sich F. nicht mehr rührte, seine Ex-Frau ins Schlafzimmer stürmte, ihn schlug und schrie: "Was hast du nur getan?" Dann wankte er nach Hause.

"Eigentlich wollte ich mich selbst im Wohnzimmer umbringen. Dann hätten Christine und Christian gesehen, was sie mir angetan hatten. So dachte ich damals", sagte er zum Richter Behrend Appelkamp. Doch es kam anders. "Ich sah F. in meinem Wasserbett liegen. Da hätte ich eigentlich sein sollen, sie ist ja immer noch meine Frau, wir haben uns noch nicht scheiden lassen, leben seit 2007 getrennt." Er wollte dann den "Neuen" mal in Augenschein nehmen, sich vorstellen. Das fand F. jedoch nicht angebracht. Er habe ihn, Gerd M., angepöbelt und ihn gegen die Brust getreten. "Da habe ich geschossen. Wo ich getroffen habe, weiß ich nicht, ich hatte die Augen zugemacht."

Zu Hause saß er mit seinem Freund W. am Küchentisch, wartete auf die Polizei, die ihn festnahm. Seitdem hatte er in der U-Haft viel Zeit, nachzudenken über seine Tat, sein Leben und die Beziehung zu seiner Ex-Frau. Seit 1998 waren die beiden verheiratet. "Ich habe sie sehr geliebt, sie und ihre beiden Kinder aus ihrer ersten Ehe." Aber immer mal wieder sei Christine fremdgegangen, behauptete er. "Ich kannte alle ihre Freunde." Kurzfristig sei er sogar mal mit der Schwester einer ihrer Liebhaber zusammen gewesen. 2007 trennten sich die beiden, Christina zog aus ihrem gemeinsamen Haus aus. Doch traf man sich immer wieder im Schützenverein und auch sonst. "Im Januar waren wir sogar noch zusammen im Urlaub in Ägypten, hatten dort Sex."

Dann lernte die 41-Jährige einen neuen Freund kennen. Beim Chatten im Internet traf sie auf Christian F. "Ich hatte den Eindruck, das ist etwas Ernstes", so Gerd M. Und dann habe seine Ex-Frau auch noch während eines Gesprächs einige Tage vor der Tat bei einem Streitgespräch behauptet, er sei ein Waschlappen. "Da fühlte ich mich beleidigt. Dieser Spruch und wie die beiden beim Osterfeuer rumgemacht haben - das konnte ich nicht ertragen." Er habe seine Ex-Frau immer noch sehr gern.

Christine M. wird in den Zeugenstand gerufen. Sie weint, zittert, kann Gerd M. nicht ansehen. "Ich kann es immer noch nicht fassen, was passiert ist, kann die Momente nicht vergessen, wie Christian blutüberströmt im Bett starb", sagt sie stockend. Es habe während ihrer Ehe immer mal wieder Probleme mit dem Alkoholkonsum von Gerd M. gegeben, nie sei er jedoch gewalttätig geworden. "Ich war so fassungslos, als ich ihn mit der Waffe vor dem Wasserbett stehen sah."

Erst als die Schüsse im Schlafzimmer fielen, habe sie gemerkt, dass ihr Ex-Mann in der Wohnung ist. Es sei der blanke Horror gewesen. "Christian schrie vor Schmerzen. Alles war voller Blut." Sie habe auf Gerd M. eingeschlagen. "Was hast du nur getan, habe ich ihn gefragt und dann rausgeworfen." Diese Szenen kriegt die 41-Jährige nicht aus ihrem Kopf, ist deshalb in psychologischer Behandlung, kann nicht mehr arbeiten. "Ich hielt Christian in meinen Armen, bis er nicht mehr atmete", sagt sie weinend zu dem sichtlich bewegten Richter. Gerd M. knetet unterdessen seine Hände, guckt zu Boden. Der Prozess wird fortgesetzt.