Heidschnucken und Heideblüten, Pferdekutschen und Findlinge, so kennt man die Heide. Dass auf den Pfaden, auf denen heute Urlauber wandern, im Mittelalter gepilgert wurde, wissen nur wenige.

Wilsede. Mehr als 2000 Kilometer trennen Hamburg von Santiago de Compostela, wo der Legende nach das Grab des Apostels Jakobus zu finden ist. Auf dem Weg von Nordeuropa nach Spanien passierten in vergangenen Jahrhunderten unzählige Gläubige die Lüneburger Heide. Inzwischen sind diese alten Wege auf einer Länge von rund 200 Kilometern als Pilgerwege wieder kenntlich gemacht worden: Die offiziell rekonstruierte Route beginnt in Hittfeld an der St. Mauritiuskirche und endet am Kloster Mariensee.

"Gekennzeichnet ist die Strecke durch die gelbe Jakobusmuschel. Man findet sie vor allem an Bäumen und Feldsteinen", sagt Hilke Feddersen, Geschäftsführerin des Vereins Naturpark Lüneburger Heide in Bispingen. Der Verein kümmert sich um die Pflege der Pilgerpfade. "Im kommenden Frühjahr wird das letzte Teilstück der Strecke bis zur Jakobikirche in Hamburg ausgeschildert", sagt Feddersen. "Dann wird es auch eine Übersichtskarte für das Gebiet geben."

Einer derjenigen, der sich um die Wiederentdeckung der alten Pfade besonders verdient gemacht hat, ist Frank Farthmann aus Soltau: "Ich habe Zeugnisse dafür gefunden, dass die Pilger auf den alten Heerwegen durch die Heide unterwegs waren. Zum Beispiel in der Kirche in Wolterdingen - dort trägt das Taufbecken Pilgerzeichen aus ganz Europa", sagt Fahrtmann.

Gepilgert wurde vor allem für das Seelenheil - nachempfunden war die Reise den Missionarstouren der christlichen Mönche.

Zur Buße für schwere Sünden oder mit der Bitte um Heilung von einer schweren Krankheit unternahmen zahlreiche Menschen den weiten und gefährlichen Weg nach Spanien. Reiche Leute schickten schon mal einen "gemieteten" Pilger auf die gefahrvolle Wanderung: "Aber nicht nur die Pilger waren Gefahren ausgesetzt. Gelegentlich wurden sie auch selbst zur Plage. Ab und an kam es zu Zwischenfällen wie Viehdiebstählen oder Mundraub. Deshalb führten viele Pilgerrouten in angemessener Entfernung um die Heidedörfer herum", sagt Fahrtmann. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts verlor das Jakobusgrab in Spanien an Bedeutung: Große Klöster wie Wilsnack in Brandenburg traten an die Stelle des allzu weit entfernten Santiago.

Wer heute auf den Spuren der Pilger durch die Heide geht, hat dafür andere Gründe als die Menschen im Mittelalter: "Das ist meistens eine Suche nach sich selbst", sagt Frank Fahrtmann. "Beim Pilgern fühlt man den Körper auf eine neue Weise."

Station machen kann der moderne Pilger an einem Ort, der mit einer kleinen Gedenkstätte Auskunft gibt über die Pilgerbewegung: In Wilsede, im Emhof neben dem Freilichtmuseum, unterrichtet eine Ausstellung den Besucher über den Jakobusweg durch die Lüneburger Heide.