Bis zum 19. Juli gastieren die Artisten noch in Neugraben am Süderelbebogen. Dann zieht die Wohnwagen-Kolonne weiter.

Neugraben. Es sieht ein wenig aus wie auf einem überdimensionalen Campingplatz. Große Wohnwagen stehen in einem Halbkreis, davor sind auf Wäscheständern Socken, Jeans und Pullover aufgehängt - und glitzernde Kostüme. Einzig das große bunte Zelt, das inmitten der Rasenfläche steht, lässt erahnen, dass es sich hier nicht um den Campingurlaub einer Großfamilie handelt. Leise hört man ein Pferd wiehern, ein Hund antwortet mit Gebell.

"Wir sind ein Familienzirkus. Da braucht man keine wilden Tiere - die gehören nach Afrika", sagt Hans Kaiser und lächelt zufrieden. "Da reichen ein paar Ponys und Esel" Seine Hände sind von Motoröl schwarz gefärbt, auch sein weißes Arbeitshemd ist dreckig. Gerade war er dabei, den Reifen seines Lkw zu wechseln. Die Familie Kaiser kann nahezu jedes handwerkliche Problem selbst lösen, sei es die Elektrik im Zirkuszelt oder kleine Ausbesserungen an den Wohnwagen. "Wenn man das von Profis machen lässt, dann wird es zu teuer für uns", sagt Kaiser. "Aber mittlerweile kriegen wir das schon ganz gut alleine hin." Seit etwa 200 Jahren gibt es den "Circus Kaiser", der derzeit in Neugraben Station macht. Er besteht aus drei Kleinfamilien, acht Kinder reisen mit ihren Eltern ständig in Norddeutschland umher. "Mein jüngerer Bruder und ich haben den Zirkus vor 20 Jahren von unserem Vater übernommen", erzählt der heute 40 Jahre alte Hans Kaiser. "Witzigerweise sind unsere Frauen auch Schwestern. Mein Bruder und ich haben sie gemeinsam kennen gelernt - das hat einfach perfekt gepasst."

Und aufgrund der gleichen Gene sehen sich auch ihre Kinder, die kleinen Cousins und Cousinen, besonders ähnlich. Zur Schule gehen sie dort, wo der Zirkus gerade gastiert. "Natürlich gibt es unter uns Erwachsenen auch mal Stress", sagt der Ältere der beiden Brüder. "Aber uns bringt so schnell nichts auseinander."

Gerade weil die Familien auf engstem Raum zusammen leben ist es besonders wichtig, dass jeder sein eigenes Reich hat, sagt Michael Kaiser. Und sogar der 13 Jahre alte Angelo hat bereits seinen eigenen kleinen, aber feinen Wagen - zwar nur ein paar Quadratmeter groß, aber der Nachwuchsartist ist stolz.

Auch die Wohnräume der Eltern sind alles andere als unkomfortabel. Hinter der Sitzecke im Küchenwagen der Kaisers hängt ein großer Flachbildfernseher. Der Wagen, in dem das Schlafzimmer untergebracht ist, hat eine Länge von über sieben Metern. "Es gibt immer noch Leute, die denken, Zirkusleute schlafen auf Heuballen", sagt Hans Kaiser. "Doch ein wenig Komfort gibt es bei uns auch."

Das ist aber nur möglich, weil jeder in der Familie mit anpackt. Mutter Daniela Kaiser ist für die Finanzen zuständig, die Brüder Hans und Michael für die Show und das Handwerkliche. Auftreten tut die ganze Familie. Es gibt einen Feuerschlucker, eine Clownshow, verschiedene Tiernummern und artistische Auftritte. Sogar die drei Jahre alte Vivianna und ihre fünf Jahre alte Cousine Romina stehen schon regelmäßig in der Manege. Natürlich freiwillig. Darauf legen die Eltern wert. "Ich mache immer Hula-Hoop", sagt Vivianna, lacht und schwingt einen Reifen um ihren kleinen Körper. Danach verteilt sie Luftküsse, eben so, wie sie es bei Applaus in einer Vorstellung auch tut. Auch in die Westernshow sind die Zirkuskinder dabei.

"Natürlich verdienen wir unser Geld mit den Auftritten", sagt Hans Kaiser. "Aber gleichzeitig ist das unser Leben. Das lieben wir." Dennoch stellen die Eltern ihren Kindern frei, ob sie den Zirkus weiter führen, oder einen anderen Lebensweg einschlagen wollen. Doch für die Kinder stellt sich die Frage gar nicht. "Ich will auf jeden Fall im Zirkus bleiben", sagt Angelo, der schon jetzt mit Akrobatiknummern in den Shows auftritt. "Ich habe nie darüber nachgedacht, etwas anderes zu tun." Noch bis zum Sonntag, 19. Juli macht der Zirkus in Neugraben am Süderelbebogen Station. Am Donnerstag, Freitag und Sonnabend gibt es jeweils Vorstellungen um 16 Uhr, am Sonntag beginnt der Auftritt bereits um 14 Uhr.