Endspurt für die Festival-Macher der Agentur “Kopf und Steine“: Schon in 18 Tagen beginnt das Rahmenprogramm.

Wilhelmsburg. Treffpunkt Stübenplatz: Doro kommt im geliehenen Audi angebraust, auf dem Beifahrersitz sitzt Dockville-Pressemann Jean Rehders. Zusammen fahren wir zum Reiherstieg-Hauptdeich, um uns durch ein Loch im Zaun auf das riesige Dockville-Gelände zu zwängen. Wenn das Open-Air-Festival im August für die Besucher öffnet, geht es natürlich durch das geräumige Tor nebenan. Dorothee Halbrock (24) und Jean Rehders (29) von der Agentur "Kopf und Steine" haben gerade richtig viel um die Ohren. Ein Treffen jagt das nächste, denn im August lockt das dritte Dockville-Kunst-und-Musik-Festival wieder viele Besucher auf die Elbinsel Wilhelmsburg, das ihre Agentur mit Sitz in der Schanze ausrichtet. Letztes Jahr waren um die 10 000 Besucher dabei. Jean, der Pressemann, erwartet, dass es dieses Jahr genauso viele, wenn nicht noch mehr werden.

Doro steht im halblangen Kleid auf dem riesigen, zum Teil mit Sträuchern und hohem Gras zugewachsenen Dockville-Gelände, das der Festival-Gründer Enno Arndt vor drei Jahren entdeckte und von der Hamburg Port Authority (HPA) pachtete. Inmitten von wilden Margeriten und Butterblumen blinzelt die Kulturwissenschaftlerin in die gleißende Julisonne: Doro kümmert sich um das Kunstprogramm des Festivals, das bereits am 3. August starten wird. "Es wäre einfach zu schade, wenn die Kunst nur an den drei Festivaltagen am 14. bis 16. August zu sehen wäre." Fast dreißig Künstler aus Deutschland, USA und Japan wollen das Gelände mit rund 17 Projekten in einen Installationenpark verwandeln, genauer in einem "Musik- und Kunstspielplatz", wie das diesjährige Motto lautet.

Doro, die in Lüneburg Kulturwissenschaften studiert und nächstes Jahr ihren Magister schreiben will, hat gute Künstler aufgetan und aus zahlreichen Bewerbungen ausgewählt. Als roter Faden im Programm kommt es ihr darauf an, dass das Kunst- und Musikprogramm organisch ineinander übergehen und auch die Topographie des Ortes künstlerisch einbezogen wird. Eine Art Gesamtkunstwerk, zumindest eine Symbiose aus Natur, Kunst und Musik soll entstehen. Dass Doro ihren Gestaltungswillen ernst meint, zeigt sich auch darin, dass "in Zukunft auch die Infrastruktur des Festivals, zum Beispiel die Toilettenhäuser künstlerisch gestaltet werden könnten."

Zunächst zeigen mir Doro und Jean das Gelände, das einen malerischen Blick auf den alten, düster aussehenden Rethespeicher im Hamburger Hafen bietet, in dem heute noch Getreide umgeschlagen wird. Nachdem letztes Jahr ein hoch aufragender Turm des Speichers von innen rot illuminiert wurde, wird Urban Screen aus Bremen dieses Jahr den ganzen Speicher von außen bestrahlen und die Charakteristik des Ortes zwischen rauer Hafen-, Industrie- und Naturromantik ins rechte Licht rücken. Ein Ort, der eigentlich direkt bis ans Wasser des Reiherstieg-Elbarmes im Hafen geht. Eigentlich: denn aktuell hat der Eigner von dem Festival-Gelände ein wenig abgezweigt. Doro erzählt, dass man ganz schön aufpassen müsse, wo der provisorische Zaun gerade stehe. Die genaue Quadratmeterzahl des Geländes haben Jean und Doro zwar gerade nicht parat. Aber immerhin: Es müssten um die 25 000 Quadratmeter Festivalgelände sein.

Seit dem 13. Juli gehen auch die Zimmerleute auf dem Gelände ein und aus. Denn auch das im letzten Jahr von dem Hamburger Künstler, JaKönigJa-Sänger und Schauspieler (Madboy) Jakobus Siebels erbaute Holzdorf, das spiegelbildlich dem Rethespeicher auf der anderen Wasserseite nachempfunden ist, bedarf witterungsbedingt etwas Zuwendung und Pflege. "Klar ist natürlich, dass es sich für ein Open-Air-Festival nicht unbedingt anbietet, Malerei zu zeigen", sagt Doro. Installationen hingegen seien ideal, die sich durch eine gewisse Robustheit auszeichneten.

Dieses Jahr wird das Festival künstlerisch eine ganze Spur internationaler sein: "Advances" aus New York werden ein überdimensioniertes Waldhorn als ein begehbares Amphitheater bauen. Die Installation wird im wahrsten Sinne interaktiv sein, denn die Besucher können die zu der Architektur gehörigen Musikinstrumente selbst bespielen. Der umtriebige Jakobus Siebels wird dieses Jahr eine Riesenrassel beisteuern und die sechs Meter lange "Bum Tschak Wippe" des Multimediatüftlers Michael Schieben wird eine Wippbewegung in Beats übersetzen. Auch der Aggressionsabbau ist sicher gestellt: Die Boxsackinstallation "Maske" von Andreas Otto und Andreas Stolze transformiert Schläge in Musik: Je härter die Prügel, desto ruhiger der Ambientsound. Und auch Gelegenheit, ins Kindliche zu gleiten, bieten die Macher dem Festivalfan: Im "Kinderzimmer", einer Gemeinschaftsinstallation von Lullatone und Katharina Duve, ist alles ganz entspannt.

Schon als Daniel Richter, der Shooting-Star der Kunstszene, sich 2007, im ersten Jahr die Ehre gab und sich für das junge Festival an einer Elbphilharmonie aus Schrott versuchte, war klar, dass Dockville dabei war, überregionale Strahlkraft zu entwickeln. Nicht nur die Kunst, sondern vor allem das aktuelle Booking für die vier Bühnen, die bei unserem Besuch noch nicht zu sehen waren, spiegelt den Erfolg wieder: MGMT geben hier ihr einziges Konzert in Deutschland. Das weitere Line Up mit Bands wie The Whitest Boy Alive, Turbonegro, Kettcar, Element of Crime, Blumentopf und mehr spricht für sich: Insgesamt präsentieren sich an drei Tagen rund 60 nationale und internationale Bands dem meist jungen Publikum.

Um die Dezibel, mit denen die Ohren der Musikfreunde bearbeitet werden, wurde im Vorfeld ein wenig gestritten. Freitag und Sonnabend müssen die Konzerte auf der Hauptbühne jetzt aus Lärmschutzgründen um Mitternacht eingestellt werden, am Sonntag eine Stunde früher. Doch Jean Rehders gibt sich versöhnlich und professionell. "Natürlich finden wir die Auflagen nicht cool, aber wir werden das einhalten." Den Machern des Dockville-Festivals geht es auch um Nachhaltigkeit. Zum Teil werde man ein wenig feindlich beäugt. Nach dem Motto: "Da feiern welche, hauen ab und wirken am Hype mit, der die Mieten im Viertel hochtreibt." Das wird den Dockvillern jedoch nicht gerecht. Schon beim Blick auf die Homepage stellt man grinsend fest, wie sich das Team um Besucher und Stadtteil sorgt und fast elterliche Tipps gibt: "Ohropax sind überhaupt nicht uncool - im Gegenteil." Für die Anwohner wird im Stadtteil außerdem ein Lärmschutzbeauftragter unterwegs sein, der misst und im Zweifel dafür sorgt, dass am Reiherstieg runtergeregelt wird. Bis zwei Uhr dürfen 45, danach 35 Dezibel nicht gerissen werden.

Mit dem Lüttville im Vorfeld des Festivals, das kostenlose Workshops für Kinder aus Wilhelmsburg und Veddel anbietet, will man sich zusätzlich für den Stadtteil engagieren. Auch können die Anwohner an den Festivaltagen von stark ermäßigten Festivalpreisen profitieren (zehn Euro). Momentan denken die Dockville-Macher über eine Ausweitung von Lütt- und Dockville in Form einer öffentlichen Nutzung nach und sprechen darüber mit der igs, die 2013 auf der Elbinsel zu Gast ist. Aber vorher muss noch der Audi in die Waschanlage, der komplett zugeklebt ist.

Vernissage des Kunstspielplatzes am 2. August, 17 Uhr, danach täglich öffentliche Führungen ab 18 Uhr. Festival vom 14. bis 16. August (Karten an bekannten Vorverkaufsstellen).