Birgit Caumanns führt Besuchergruppen durch Gebäude, die sie sonst nur von außen sehen. Und manchmal geht es auch an Bord, mit Blick auf Skurriles.

Harburg. Ein unbekanntes Schwimmobjekt kommt der Barkasse "Togo" im Harburger Binnenhafen entgegen: Zwei Standkörbe stehen auf dem Floß, das an einen motorisierten Bootssteg erinnert. Kapitän des skurrilen Wasserfahrzeugs ist Gunter Gabriel. Nur mit einem ultraknappen Slip an diesem heißen Sommernachmittag bekleidet, winkt der 67 Jahre alte Sänger ("Hey Boss, ich brauch mehr Geld!") und Komponist zu den 20 Gästen auf der "Togo" hinüber. Die feixen und grüßen zurück. Dass Gunter Gabriel auf seinem roten Hausboot mit 260 Quadratmetern Wohnfläche im Binnenhafen lebt, ist bekannt.

Dass er aber "Bootsbau" betreibt und im Strandkorb durch seine Nachbarschaft schippert, ist selbst für Birgit Caumanns neu. Mit ihrem Büro am Kanalplatz ist die Stadtplanerin sozusagen Gabriels Nachbarin. Und Caumanns kennt den Harburger Binnenhafen bestens. Seit Jahren bietet sie Touren durch Hamburgs zweite HafenCity an.

20 frühere und noch angestellte Mitarbeiter der Telekom sind diesmal ihre Gäste. Das Unternehmen hat seine Niederlassungen im Binnenhafen zwar verlassen - die Kollegen treffen sich aber heute noch regelmäßig. Es ist eine besondere Tour: Sie erkunden auf dem Wasserweg das etwa 100 Hektar große Stadtquartier am Wasser.

Dieses Angebot ist eher selten: Für die drei noch funktionsfähigen Klappbrücken im Gebiet müsse das Personal extra bestellt werden, sagt Reimer Stollberg. Er steuert die Barkasse "Togo", die Caumanns von dem Projekt "Jugend in Arbeit" chartert.

Bevor die Bootstour startet, bewegt sich die Gästegruppe zu Fuß an den Kaufhauskanal. Kaufhäuser, so nannten die Harburger im 19. Jahrhundert die großen Lagerhäuser mit Schiffsanleger.

Heute stehen hier vor die sogenannten "Riegel", wie sie im Viertel heißen. Das sind die für den Binnenhafen typischen Bürohäuser "auf Stelzen". Der Binnenhafen ist vor allem eine Bürostadt. Mit inzwischen rund 6000 Arbeitsplätzen. "Es ist noch nicht gelungen", sagt Birgit Caumanns, "Wohnen, Freizeit und Kultur im Gebiet zu etablieren." Das soll sich am Kanalplatz ändern. Und deshalb lenkt die Stadtplanerin den Blick auf diesen Ort. Die dänische Architektengruppe BIG hat hier das erste zusammenhängende Wohnquartier im Harburger Binnenhafen mit 80 Wohneinheiten geplant und mit spektakulärer Architektur einen Wettbewerb der Internationalen Bauausstellung gewonnen. Bis jetzt fehlt aber noch ein Investor.

Trotz des Lärms von den Güterzügen und der viel befahrenen Bundesstraße 73: "Es gibt Interesse, im Binnenhafen zu wohnen", sagt Birgit Caumanns. Auch zwei ihrer Tourgäste lassen sich vom Charme des Quartiers infizieren. Andreas Asmus (60) könne sich vorstellen, aus dem Wald in Büchen in den Binnenhafen zu ziehen. Genauso Christian Bode (47) aus Neugraben: "Das ist hier wie in der HafenCity. Nur mit viel mehr Charme und grüner Umgebung."

Nach einer Stunde an Land steigen die 20 Männer und Frauen am Veritaskai in die 13 Meter lange Barkasse. 97 Jahre ist die restaurierte "Togo" alt. Der Dieselmotor dröhnt mächtig. Schiffsverkehr ist selten im Binnenhafen, und so zieht die Barkasse die Blicke der Besucher im Veritas Beach Club auf sich. Die Bootstour zeigt den Harburger Binnenhafen aus Perspektiven, die es sonst nicht zu sehen gibt: Die zu einem Bürohaus umgebauten früheren Silotürme wirken noch gewaltiger als vom Land aus. Dicht geht es an dem Geisterschiff "Gloria D" vorbei, eine abgewrackte Fähre, die illegal festgemacht hat. Hausboote sind zu sehen. "Rund 50 Leute wohnen auf dem Wasser im Binnenhafen", sagt Birgit Caumanns. Geduldet von den Behörden. Denn eigentlich sei diese Lebensart hier nicht erlaubt. Die Hausbootbewohner hätten Meldeadressen an Land - zur Vorsicht.