Die in Ehren ergrauten Stammkunden stehen auf Perfektionismus - und das auch bei der Frisur.

Harburg. Die acht Herren, die sich an diesem Tag im Friseursalon in der Hölertwiete 10 treffen, sind alle im besten Alter. Sechs von ihnen genießen schon ihren Ruhestand, zwei sind noch im Berufsleben aktiv: Eckhard Donner (66) ist Zahnarzt in Heimfeld und Uwe Bierwirth (57) aus Marmstorf arbeitet als Wohnungskaufmann.

Die acht Herren sind auf unterschiedliche Schulen gegangen und haben unterschiedliche Berufe erlernt. Doch zwei Dinge verbindet sie: Alle wohnen im Süderelberaum. Und alle lassen nur einen ran, wenn es haarig wird im Leben: Carl-Heinz Löntz (74), Friseurmeister aus Eißendorf.

Nur Carl-Heinz Löntz (manchmal auch sein Team) darf die Haare der acht Männer schneiden. Und das seit Jahren, seit vielen Jahren: 45 bis 50 Jahre sind die Herren ihrem Friseur treu geblieben - ein halbes Jahrhundert, so lange arbeitet Carl-Heinz Löntz als Friseur in Harburg.

Carl-Heinz Löntz ist kein Wald- und Wiesenbarbier, der für fünf Euro einen Trockenschnitt offeriert. Carl-Heinz Löntz ist ein Meister seines Faches: Er hat bei Heinrich Schmidt in der Werderstraße gelernt, war Hamburger und Norddeutscher Meister, Berliner Meister, Deutscher Meister, Vizeweltmeister und, jawohl: Weltmeister beim Herrenhaarschnitt.

Der "Pott" steht bei "intercoiffure Löntz" im Salon in der Hölertwiete. "Championat Du Monde", steht auf der Trophäe. "Coupe Mondiale de Coiffure Masculine".

Es ist ein Mannschaftstitel, den Carl-Heinz Löntz 1964 in Basel gewann. Er war damals "mit meinen Jungs" der beste Friseur der Welt. "Ich bin", sagt der Meister, "ein Perfektionist, sonst kann man solche Wettbewerbe nicht gewinnen."

Die acht Herren, die sich an diesem Tag von Carl-Heinz Löntz die Haare schneiden lassen, stehen auf just diesen Perfektionismus ihres Friseurs. Deshalb sind sie ihm treu geblieben, ein halbes Jahrhundert lang. "Es gab ja auch immer einen guten Kaffee und ein nettes Gespräch dazu", sagt Arno Riewoldt (72) aus Neu Wulmstorf, ehemaliger Verlagsleiter der Harburger Anzeigen und Nachrichten.

Die acht Herren sind mit ihrem Friseur durch Dick und Dünn gegangen: Sie haben ihm ihre Erfolge und Misserfolge gebeichtet, sie haben mit ihm über Liebe und Leid gesprochen, über Profanes und Politik. Immer wieder kamen sie zu Carl-Heinz Löntz, weil der für 30,50 Euro in einer dreiviertel Stunde nicht nur wäscht, massiert und schneidet. Sondern weil er ihnen auch ein wenig Balsam für Herz und Seele mit auf den Weg gibt und nicht nur eine akkurate Frisur. "Die Kunden", sagt der Meister, "sollen einen perfekten Haarschnitt bekommen, und sie sollen sich bei mir wohlfühlen."

So einem Meister bleibt man treu. So einen Meister verlässt man nicht - auch wenn der Preis binnen 50 Jahren von 3,50 D-Mark auf eben diese 30,50 Euro gestiegen ist. "Nur im Urlaub oder wenn die Arbeit einen in die Ferne verschlägt, dann sind wir mal fremdgegangen", sagen die Herren und senken den Blick.

So arbeitete der ehemalige Produktionsfacharbeiter Alex Niehoff (72), er trägt die Nadel seiner Firma, Shell, noch immer stolz am Revers, einst eine Zeit lang in Ingolstadt. "Ich habe meine Besuche in Harburg immer mit einem Friseurbesuch bei Herrn Löntz verbunden", sagt Herr Niehoff, "aber manchmal musste ich leider in Ingolstadt zum Friseur." Das Ergebnis des bayerischen Coiffeurs bezeichnet Alex Niehoff noch heute als "bescheiden". "Ich war dort in Ingolstadt nicht zufrieden mit dem Friseur. Die Haare saßen nicht, waren zu kurz oder zu lang, weil der Friseur sich nicht traute, richtig zu schneiden."

Der Diplom-Ingenieur Karl Otte (79) aus Neu Wulmstorf vertraut seinem Meister seit 1959 - in jenem Jahr hat Carl-Heinz Löntz seinen ersten Salon in der Bremer Straße 3 eröffnet. In den 50 Jahren ist Karl Otte nur ein paar Mal im Urlaub zu einem anderen Barbier gegangen - "notgedrungen", wie der Shell-Mann sagt. Carl-Heinz Löntz unterbricht seinen Kunden und sagt, "ich musste das danach immer wieder richten, was die anderen verbockt hatten. Die Haare von Herrn Otte", sagt der Meister, "wachsen halt ein wenig stur, so wie der Herr auch ist."

Als Herr Otte das erste Mal zu seinem Meister kam, waren seine Haare kurz und blond. Kurz sind sie noch immer - und grau und ein Bart ist dazugekommen. Grau sind die Haare fast aller Herren; Tollen sind im Laufe der Zeit verschwunden - aber die meisten bekommen von Carl-Heinz Löntz noch immer genau das, was sie wünschen: "einen Messerschnitt".

"Der Alex Niehoff", sagt der Meister, "der hat von meinen älteren Herren die dichtesten Haare." Aus dunkelblond ist grau geworden bei Herrn Niehoff. Und aus einer "Bombage", einer Tolle nach hinten, "ein praktischer Formschnitt".

Ein wenig untreu geworden sind jene Herren, die sich von Carl-Heinz' Gattin Gabriele Löntz (58) die Haare schneiden lassen. "Die haben gewechselt, wenn ich mal nicht da war", sagt der Meister. Aber nicht in puncto Professionalität: Frau Löntz schneidet seit 43 Jahren Haare von Herren und Damen. Und auch sie ist eine Perfektionistin, genau wie ihr Mann: 1969 war sie Hamburger Landessiegerin und zweite Bundessiegerin. Das Handwerk gelernt hat sie bei ihrem Mann. "Gabriele hat mich zuerst gehasst, weil ich so ein strenger Lehrer war", sagt Carl-Heinz Löntz, "aber als ein Kollege sie abwerben wollte, da habe ich sie schnell geheiratet."