Bernd Clasen regelt seit 15 Jahren die Angelegenheiten von Verstorbenen. Eine häufig mühsame Suche und Kleinarbeit.

Harburg. Für seinen Job dürfe er nicht zu zart besaitet sein, und trotzdem seine Empfindsamkeit nicht verlieren. Der Harburger Bernd Clasen (53) ist Nachlasspfleger. Häufig ist er der Erste, der die Wohnung nach dem Tod eines Menschen betritt. Zum Beispiel, wenn es keine nahen Verwandten gibt, die die allerletzten Angelegenheiten des Gestorbenen regeln. "Das gibt mir die Verantwortung, die Intimsphäre des Verstorbenen zu schützen."

Und das bedeutet, in den persönlichen Sachen der Verstorbenen nur nach den Informationen zu suchen, die aus juristischer Sicht von Bedeutung sind.

Vom Nachlassgericht beauftragt macht Bernd Clasen sich in ganz Hamburg und Nordniedersachsen auf den Weg in die Wohnungen ihm fremder Verstorbener. Hier muss er zunächst den Nachlass sichten. Nach Unterlagen und Versicherungsurkunden, Geld und Wertsachen suchen. "Alle Sachen, um die sich ein Erbe kümmern müsste, darum kümmere ich mich."

Diese Suche gestaltet sich oft schwierig. Denn geordnete Unterlagen sind eher die Ausnahme, wie Bernd Clasen in seiner 15-jährigen Tätigkeit als Nachlasspfleger festgestellt hat.

Und zimperlich darf Clasen in seinem Beruf auch nicht sein. Denn häufig führt ihn seine Aufgabe in verwahrloste Wohnungen, voll mit Müll und Dreck. Oder Batterien leerer Flaschen geben Zeugnis einer Alkoholsucht, die in Verwahrlosung endete. "Ich habe häufig Fälle, wo der Alkohol eine große Rolle im Leben spielte."

In so einem Chaos dann Unterlagen zu finden gestaltet sich mitunter schwierig. Doch irgendwelche Unterlagen finden sich in der Regel immer.

Die sichtet Clasen dann in seinem Büro in Harburg. Rund 50 Nachlasspflegschaften bearbeitet er mit seinem Team im Jahr. Der Nachlasspfleger kommt dann zum Einsatz, wenn die Erben nicht bekannt sind und möglicherweise sicherungswürdiger Nachlass vorhanden ist.

Das ist der häufigste Grund, aus dem Clasen vom Amtsgericht als Nachlasspfleger bestellt wird. "Rechtstheoretisch hat jeder Erben, man muss sie nur finden."

Und das kommt manchmal einer langjährigen Sisyphosarbeit gleich. Da wird bis weit in die Vergangenheit ermittelt. Es gibt Fälle, in denen bis zu 200 Urkunden beschafft werden müssen. Sogar ins Ausland ist der Nachlasspfleger schon gereist, um mögliche Erben ausfindig zu machen. Selbstverständlich wird ein solcher Aufwand nur betrieben in den Fällen, wo es entsprechenden Nachlass gibt.

Weit häufiger ist allerdings der gegenteilige Fall. Immer mehr Menschen sterben und hinterlassen kein nennenswertes Erbe. Gibt es auch keine angehörigen, die die Bestattungskosten übernehmen könnten, muss Clasen weiter handeln: "Dann wird eine Zwangsbeisetzung erforderlich." In diesen Fällen ist die letzte Ruhestätte üblicherweise ein anonymes Rasenfeld auf dem Öjendorfer Friedhof, auf dem die Urne ohne einen Grabstein beigesetzt wird.

Doch der Nachlassverwalter kann auch Fälle benennen, in denen der erste Eindruck einer Wohnung getrogen hat.

Von Menschen, die nach außen ein bescheidenes Leben führten, "und trotzdem war da Geld wie Heu". Die Genügsamkeit habe über Jahrzehnte das Konto gefüllt. "Doch das ist eher die Ausnahme", sagt Clasen. Selten seien auch die viel zitierten Fälle, in denen große Geldbeträge im Wäscheschrank versteckt seien.

Clasen bearbeitet nicht ausschließlich gerichtlich angeordnete Fälle. Menschen, die keine unmittelbaren Verwandten haben, suchen sich ihren Testamentsvollstrecker bereits zu Lebzeiten aus.

"Das erlebe ich immer häufiger", stellt Clasen fest, in dessen Dienstleistungskatalog neben der Testamentsvollstreckung auch die Nachlassabwicklung in Vollmacht für die Angehörigen steht, die sich dieser Anforderung nicht gewachsen fühlen.

Bernd Clasen ist studierter Diplom-Verwaltungswirt und hat sich in speziellen Fachseminaren intensiv auf seine Tätigkeit als Nachlasspfleger vorbereitet. Mittlerweile bildet er längst selber aus. Der Beruf hat seine Haltung zu den Themen Tod und Sterben nachdrücklich verändert: "Ich habe in den Jahren als Nachlasspfleger ein viel unbefangeneres Verhältnis dazu bekommen."