Es geht an diesem Tag im Amtsgericht Winsen um eine Mutter und einen Sohn, die beide Alkohol trinken. Mehr Alkohol trinken, als ihnen gut tut.

Winsen. Die Mutter gibt an, sie trinke "zwei-, dreimal die Woche so eine Flasche oder ein knappes Tetrapack Wein". Der Sohn vermag ohne Probleme drei Tetrapack Wein an einem Tag zu bewältigen. Er gibt an, er sei "trockener Alkoholiker". Das Saufen sieht man ihm im Gesicht nicht an, der Mutter schon ein wenig.

Der "trockene Alkoholiker" heißt Thomas C., ist 44 Jahre alt und wohnt in Handorf im Landkreis Lüneburg. Er arbeitet als Hauswirtschaftler und Koch in einem Pflegeheim, hat zwei Kinder und setzt seine Brille auf, als er im Saal 214 Platz nimmt - neben seinem Anwalt Moritz Klay, ein junger Advokat aus Lüneburg, der durch Präsenz und Wortgewandtheit auffällt.

Es geht an diesem Tag darum, dass Thomas C. seine Mutter Ilse (69) in ihrer Winsener Wohnung übel geschlagen haben soll. Außer der gefährlichen Körperverletzung sind angeklagt eine Sachbeschädigung und eine räuberische Erpressung.

Winsen, 2. Januar 2008. Thomas C. ist zu Besuch bei seiner Mutter - er ist erst wenige Wochen zuvor zu seiner Freundin nach Handorf gezogen. Mutter und Sohn trinken Alkohol, viel Alkohol. Dann fängt Thomas C. an, im Schlafzimmer die Tapeten von den Wänden zu reißen. "Dies war ein Geschenk, das ich meiner Mutter zu Weihnachten versprochen hatte", sagt der Angeklagte. "Das Zimmer war verschimmelt, der Bettkasten war verschimmelt - ich musste da alles mal entkernen. Ich habe auch noch die Risse in der Wand durchgespachtelt und geschliffen."

Ilse C. kann sich an dieses "Weihnachtsgeschenk" nicht erinnern. Ihr Sohn habe gegen ihren Willen die Tapeten abgerissen. Am späten Nachmittag wollte ihr Sohn Geld haben. "Er hat sich öfters heimlich aus meinem Portemonnaie Geld herausgenommen. Ich sagte: 'Ich gebe dir nix mehr, du hast so viele Schulden bei mir, die kannst du nicht mehr zurückzahlen'."

Da soll dem Angeklagten der Kragen geplatzt sein. "Er fing an mich zu hauen und riss mir büschelweise Haare aus dem Kopf. Er wollte Geld von meinem Konto bei der Sparkasse Harburg-Buxtehude abheben, aber ich habe ihm die Pin-Nummer nicht gesagt. Da hat er mich noch mehr getreten und geschlagen - auch als ich schon lag. Er schlug und trat überall hin, bis ich ihm die Nummer gab."

Die Atteste bescheinigen Ilse C.: Schädelprellungen mit Gehirnerschütterung, Trommelfellverletzung, Thoraxprellung, Schädel-/Hirntrauma, Hämatome, Nasenbeinprellung, massive Hämatome, auch an der Ohrmuschel.

Ilses Tochter Bärbel C. (45), Thomas' Schwester, weint mitunter sehr, als sie aussagt im Saal 214. "Keiner hat meine Mutter gesehen, aber ich habe sie schon öfter so gesehen - und immer war es Thomas. Als sie am 3. Januar 2008 die Tür aufmachte, sagte ich 'Thomas?' und sie sagte 'Ja!'."

Das Schöffengericht unter Vorsitz von Amtsrichter Rolf Fuhlendorf (64) glaubt dem Opfer und nicht dem Täter, der angab, er habe seine Mutter "nicht geschlagen". Das Urteil: 21 Monate Gefängnis. Ohne Bewährung!