Dieser Mann mit der Promotion über Martin Heidegger ist vielleicht ein wenig überqualifiziert: Gerhard Warlich, der Held in Wilhelm Genazinos neuem Buch, ergattert die Stelle als Wäscheausfahrer und reüssiert dort schnell zum Chef des Betriebs: Überqualifiziert heißt schließlich nicht unfähig.

Mit seiner spießigen Freundin Traudel, einer Sparkassenangestellten, die in seinen Augen in erster Linie sexuelle Vorteile besitzt, lebt Warlich zufrieden in wohligem Halbschlummer in einer Dreizimmerwohnung. Bis ihn eines Tages Traudels Kinderwunsch aus der Bahn wirft.

"Wie weit werde ich gehen, um davonzukommen?" Die Antwort führt den hypernervösen Flaneur immer weiter an den Rand bürgerlicher Existenz. Erst kommt ihm die überreizte Idee, eine "Schule der Besänftigung" zu gründen und sein Wissen über "Das Glück in glücksfernen Zeiten" zu vermitteln. Besänftigung bringt allerdings erst der Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt, denn Warlich entgleitet langsam in die Verrücktheit. Hier geht der wortgewandte Philosoph den Ärzten als empfindsamer Besserwisser auf die Nerven. Doch dann kommt ein neues Ziel: Wie schaffe ich es zur Arbeitsunfähigkeit?

Wilhelm Genazino, ehemaliger Journalist (Titanic), gelingt ein Roman voll absurdem Witz über unsere moderne Arbeitswelt und die Melancholie eines Geistesmenschen über seine verkorkste Denkerkarriere. Mit seiner schlichten Sprache lauert der Autor gekonnt dem Alltäglichen auf, um es bis zum Absurden zu steigern. Sprachlich lakonisch und von hinterhältigem Witz.

Das Glück in glücksfernen Zeiten, Hanser 17,90 Euro, 160 Seiten