Mit Barkasse und Bus gewinnen die Fahrgäste völlig neue Eindrücke von dem wenig bekannten und oft unterschätzten Stadtteil in Hamburgs Süden.

Wilhelmsburg

Es war eine jener Weihnachtsfeiern, auf denen zu fortgeschrittener Stunde der harte Kern zusammensaß. Die Stimmung war heiter und keiner der Kollegen mehr ganz nüchtern. Das Besondere: Die Firma, bei der Maike Brunk (37) zu dieser Zeit arbeitete, feierte auf einer Barkasse. Die blonde Wirtschaftsinformatikerin vertraute dem Kapitän gerade an, dass sie nebenbei Touristik im Fernstudium studiert hat und als IT-Spezialistin eigentlich unzufrieden sei. All das liegt schon ein paar Jahre zurück - doch aus "dieser Schnapslaune", wie Brunk lachend sagt, wurde die Idee der Elbinsel-Tour geboren und Maike Brunk "zum glücklichsten Menschen der Welt".

Heute steht Maike Brunk, groß gewachsen und mit blondem Pferdeschwanz, am Pier 10 der Landungsbrücken und reißt die Karten für ihre Elbinseltour ab. Es weht ein frisches Lüftchen, der Himmel über den Landungsbrücken hängen dunkle Wolken, und die ersten Gäste haben schon zum Bier gegriffen. Auf der Barkasse warten Ben (7) und seine kleine Schwester Nele ungeduldig auf den Start der etwas anderen Hafenrundfahrt. Neben uns fliegt ein Kormoran.

Dann heißt es Leinen los. Seit 2007 ist Maike Brunk mit ihrer Elbinseltour selbstständig. Diesen Sonntag fahren wir die "Standard-Route", die aus drei Teilen besteht: Als erstes schippert uns André mit der Barkasse zur Elbinsel. "Da geht es schon los", sagt Maike Brunk. "Viele denken bei Elbinsel an alles Mögliche, an Schweinesand, aber nicht an die Elbinsel Wilhelmsburg." Doch genau da geht es jetzt hin. Wir werden dort am Biergarten "Zum Anleger" mitten in Wilhelmsburg anlegen, wo es Würstchen und selbst gebackenen Kuchen gibt. Für den Landgang erwartet uns schließlich ein bunter Doppeldeckerbus, mit dem wir über die Köhlbrandbrücke sowie durch den Freihafen fahren, um nach drei Stunden wieder am Ausgangspunkt anzukommen.

Und schon schunkeln wir los. Hinter uns wird der Anleger immer kleiner, kräftige Wellen brechen sich am Bug der Barkasse. Vorbei geht es an Containerterminals, an mächtigen Pötten und an Marineschiffen. Der kleine Ben ist begeistert.

"Im Dock 5 wird gerade eine Luxusyacht gebaut", erfahren wir von Maike. Ein russischer Ölmulti baut sich hier eine 164 Meter lange Privatyacht, unterhält die Reiseleiterin ihre Gäste. Über uns taucht plötzlich majestätisch die Köhlbrandbrücke auf: 53 Meter hoch. Unglaublich, dass es Schiffe gibt, die hier nicht durchpassen.

Nach einer Weile geht es vorbei am Hansaport, wo Erz und Kohle umgeschlagen werden. In der Ferne tauchen dahinter riesige Windkraftanlagen auf. Und dann ragt der Kali-Kai aus der Elbe, dunkel und heruntergekommen sieht es hier aus. Fast gruselig. "Das liegt an den staubenden Düngemitteln, die hier bei gutem Wetter umgeschlagen werden", so Brunk.

Wir passieren die Rethehubbrücke und steuern auf der Süderelbe den Reiherstiegkanal entlang. Nach kurzer Fahrt biegen wir ab und erreichen die Ernst-August-Schleuse. Das Schleusentor schließt sich, und das Wasser wird tiefer gepumpt, damit wir weiter können. "Krass", findet Ben.

Maike Brunk steht am Mikrofon und freut sich mit ihren Gästen. Ihre Kommentare sind nordisch frisch und unterscheiden sich angenehm von den üblichen Hafenrundfahrten. Die 37-Jährige kennt sich aus in ihrem Revier und ist mit ihrer lebhaften Ausstrahlung genau die Richtige, um für Hamburgs Süden zu begeistern. Mittlerweile braucht sie die Ablesekärtchen nicht mehr und improvisiert lieber. Wie zum Beispiel später auf der Busfahrt, als auf einmal kein einziges Frachtschiff im Containerhafen zu sehen ist.

Auf dem Ernst-August-Kanal zeigt sich Wilhelmsburg, Europas größte Flussinsel, dann von der romantischen Seite: Es gibt Angler und Entenpaare, Seerosen und einen Reiher zu bestaunen, der imposant sein Gefieder aufschlägt. Die Gäste staunen. Wir gleiten den Zollzaun entlang, hinter dem manchmal Schafe am Deich grasen. Und dann liegt plötzlich der Duft von Bratwurst in der Luft. Nach 45 Minuten legen wir am Biergarten an. Einige freuen sich, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

Später nehmen die Gäste im schon betagten Doppeldeckerbus Platz. Heute bleibt die orangefarbene Plane zu - bei schönem Wetter fährt Maike "oben offen", und Äste streifen schon mal den Bus. Kai der Busfahrer bringt uns rasant durch das Reiherstiegviertel. Vorbei am alten Bunker, hinein in den Zollhafen. Und dann kommt der Panoramablick auf der Köhlbrandbrücke. Knapp vier Kilometer hin und zurück. Wir sehen den Kirchturm von Altenwerder, bestaunen den tollen Ausblick auf den Containerhafen, auf rauchende Schlote, Schrottberge, den Fernsehturm und einen Fesselballon, der über den Deichtorhallen schwebt. Alles, was wir vorher vom Wasser aus gesehen haben, sehen wir nun vom Land aus.

Ben ist so begeistert, dass sein Mund mit der Zahnlücke offen steht. Auf der Rückfahrt quetschen wir uns mit dem Bus in den Hansahafen hinein, wo sich das Hafenmuseum in einem alten Schuppen aus der Kaiserzeit befindet. Eigentlich ist es hier zu eng für den Bus, doch wir schaffen es gerade. "Hier werden oft Krimis gedreht", sagt Maike Brunk.

Inzwischen bilden sich Regentropfen auf der Panoramascheibe. Durch den Veddeler Freihafen schunkeln wir zurück in die HafenCity. Wenn man die Baustellen in der südlichen HafenCity sieht und deren Verbindung bis nach Wilhelmsburg, versteht man auf dieser Fahrt plötzlich, was mit der nach Süden wachsenden Stadt gemeint ist. "Hier wird die künftige U 4 gebaut", erklärt Maike Brunk über das Mikro. Hamburgs Süden wird direkt angebunden.

Zusätzlich soll der Assman-Kanal bis 2012 so ausgebaut werden, dass der "Sprung über die Elbe" auch vom Wasser möglich ist: Von den Landungsbrücken kann man mit dem Schiff dann bis zum Bürgerhaus Wilhelmsburg fahren. Noch ist das Zukunftsmusik. Maike Brunk hat sich mittlerweile auf individualisierte Touren spezialisiert.

Vom Sektempfang am kleinen Leuchtturm an der Bunthäuser Spitze bis zur romantischen Tour für ein Paar war alles schon dabei. Was fand Ben am besten? "Die hohen Wellen", sagt der Kleine und formt sie mit der Hand. Und Maike? "Ich bin völlig euphorisiert."

Termine für die Elbinsel-Tour unter: www.elbinsel-tour.de . Erwachsene zahlen 24 Euro, Kinder ab acht Jahren zehn Euro.