Frische Brötchen werden in Reklame-Tüten verpackt. Aber noch beißen die Bäcker nicht an.

Buchholz

Die Brötchentüte vom Bäcker - etwas, an dem der Blick hängen bleibt. Männer, Frauen und Kinder tragen sie durch die Nachbarschaft oder in den Fußgängerzonen der Städte. Sie liegt beim gemütlichen Miteinander auf dem Küchentisch. Ein Stück sympathisches Papier, weil Leckeres drin ist: knackige Brötchen, duftende Croissants. "Das ist doch ein idealer Werbeträger", dachte sich Helmut Waßmuth. Das war in den 90er-Jahren. Der Betreiber eines Tenniszentrums bei Kassel entwickelte die Geschäftsidee weiter, Bäcker und werbende Unternehmen zusammenzubringen. 1999 dann die ersten Aufträge: Ein Autohändler oder auch die Fuldaer Zeitung vermittelten ihre Botschaften über die Bäckertüte - in Auflagen bis zu 100 000 Tüten.

Heute, zehn Jahre später, ist aus Helmut Waßmuths Geschäftsidee eine Spezialagentur für Bäckertüten mit Sitz bei Kassel entstanden. Großkunden wie der Hessische Rundfunk oder Erdgas Schwaben werben in Auflagen bis zu einer Million Tüten. Geschäftsführerin ist die Tochter des Gründers, Karin Wittich (40) aus Buchholz. Seit zehn Jahren lebt sie in der Nordheide. Jetzt, da ihre Kinder Greta-Francis (14) und Seline (13) Teenager und damit selbstständiger sind, will sie die Bäckertüten-Vermarktung in Hamburg und Niedersachsen etablieren.

Den Hauptumsatz macht die Agentur in Süddeutschland. Hier ist Wittichs Mutter Ingrid Waßmuth (59) Ansprechpartner für die Bäckereien. "Im Norden fange ich bei absolut Null an", sagt Karin Wittich. Dabei ist werbende Brötchentüte ein Produkt "made in Niedersachsen": Hergestellt wird sie bei Hannover. Die Druckvorlagen kommen aus Northeim. Beides sind Familienunternehmen. Darauf legt Karin Wittich wert.

Mehr als 500 Bäckereien im Großraum Hamburg will Karin Wittich ansprechen. Härtere Überzeugungsarbeit als bisher gewohnt steht bevor - denn: Der norddeutsche Bäckermeister zeige sich bisher skeptisch, seinen Namenszug für einen Aktionszeitraum von seiner Brötchentüte verschwinden zu lassen. Im Norden, so hat Karin Wittich bisher bemerkt, seien die Bäckereien dem Neuen weniger aufgeschlossen als in Süddeutschland. Auf der werbenden Seite sieht das schon anders aus: Der NDR sei interessiert, auf der Brötchentüte zu werben. Der NDR war auch einmal Karin Wittichs Brötchengeber. Beim Fernsehen arbeitete sie als Aufnahmeleiterin.

Wie funktioniert die Werbung "frisch auf den Tisch"? Der Bäcker erhält kostenlos Brötchentüten - bis zu 2000 Stück pro Verkaufsstelle. Er verpflichtet sich dafür, die Tüten mit Werbeaufdruck während des Aktionszeitraums unter die Leute zu bringen - meist innerhalb von zwei bis drei Wochen.

Zusätzlicher Effekt: Der Bäcker spart die Verpackungsgebühr, die seit diesem Jahr auf Brötchentüten fällig ist. "Eine Seite der Tüte gehört dem werbenden Unternehmen", sagt Karin Wittich, "die andere Seite dem Bäckereihandwerk im Allgemeinen." Diese Seite zeigt zum Beispiel Backwaren oder die Aufschrift "Brötchen, Croissants, Plunder".

Die Befürchtung, mit dem Werbeaufdruck gehe die Identität der Bäckerei verloren, sieht Karin Wittich nicht. Im Gegenteil: "Die Bäcker verlieren ja nicht ihre eigene Tüte. Nach der Aktion wird ihre Brötchentüte wieder völlig neu gesehen und erregt damit mehr Aufmerksamkeit."

Karin Wittich jedenfalls sieht in Niedersachsen und Hamburg noch viel Potenzial für die werbende Brötchentüte. "Wenn ich einen Grundstock an Kunden habe", sagt sie, "möchte ich erweitern und Mitarbeiter einstellen."