Über mir wölbt sich ein fast wolkenloser Frühlingshimmel. Flugzeuge zeichnen weiße Kondensstreifen ins tiefe Blau.

Wie auf einer riesigen blauen Tafel, werden von unsichtbarer Hand weiße Kreidestreifen gezogen. Aus allen Himmelsrichtungen und in alle Himmelsrichtungen kreuzen sich die Striche und bilden nach und nach ein geometrisches Ornament.

Von Horizont zu Horizont spannt es sich. Bei manchen Kondensstreifen, die sich langsam am Himmel entlang ziehen, taucht die Frage auf: Woher kommt oder wohin fliegt diese Maschine dort oben? Je nach Himmelsrichtung erinnere ich mich an Länder und Städte, in denen ich irgendwann einmal war, vor langer Zeit oder erst kürzlich.

Plötzlich tauchen Landschaften und Menschen wie Filmausschnitte vor meinem geistigen Auge auf. Eine belebte Straße in London. Schattige Gassen unter grellblauem Himmel in Barcelona, mit Einblicken in kühle, matt glänzende Marmor-Hinterhöfe. Eine Hafenmole in einem spanischen Fischerdorf, wo Boote in sanfter Dünung schaukeln, wo es nach Teer, trocknenden Netzen und Salz duftet.

Immer weiter schwebe ich auf den Kondensstreifen in alle vier Himmelsrichtungen. Für ein paar Minuten bin ich ein Weltenbummler. Dabei sitze ich doch auf dem Balkon und nehme ab und zu einen Schluck aus meinem Teebecher.

Die Erinnerungen verwischen sich, wie die linearen Kondensgebilde aus gefrorenen Flugzeugabgasen. Die Linien, die den Luftverkehr wie einen grafischen Flugrouten-Plan am Himmel aufzeichnen, verwehen langsam wieder zu hauchdünnen Wolken. Keine Spur mehr von den Flugzeugen. Vorbei ist der Ausflug, der sich nur in meinen Gedanken abgespielt hat. Der Weltenbummler für Minuten ist wieder zu Hause angekommen.