Besuch im neuen Atelier: Ihre Motive wirken bedeutungsschwer, stecken aber auch voll Ironie.

Harburg

Sie sei halt zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen, sagt Svenja Maaß bescheiden. Die Künstlerin sitzt in ihrem neuen Atelier am Bullerdeich in einem knallorangefarbenen 70er-Jahre Retro-Plastikstuhl. Bis vor kurzem hatte sie noch das Stipendium "Künstler zu Gast in Harburg". Da war ihre Heimat das Mayrsche Haus in der Lämmertwiete, wo Svenja Maaß im Rahmen des Stipendiums zwölf Monate gratis logieren und im Atelier unter dem Dachboden malen konnte. Kuschelig, mit Dachbalken, einer Schaukel unter der Decke und auf 60 Quadratmetern Fläche. Eigentlich suchten die Herren und Damen vom Verein Künstler zu Gast in Harburg ja einen Fotokünstler, verrät Maaß, den sie fördern wollten - doch die Bewerbung der jungen Künstlerin machte spontan Eindruck bei der Jury. Professor Busch gab sich die Ehre eines künstlerischen Besuches - und so wurde Maaß Stipendiatin.

Was hat diese Zeit für die 32 Jahre Künstlerin bedeutet, die freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig studiert hatte? "In erster Linie war es Zeit zum Durchatmen und zum Experimentieren", sagt Maaß. "Durch die finanzielle Erleichterung entstand ein Spielraum, dass Dinge nicht immer was werden müssen."

Das sagt Maaß so einfach, doch ist die ehemalige Stipendiatin sichtlich eine fleißige Biene. Jeden Tag steht sie im Atelier und malt. Von nichts kommt nichts. Schaut man sich in dem neuen Atelier von Svenja Maaß um, so fällt eine überbordende Kreativität auf. Und noch etwas fällt auf. Etwas Ungewöhnliches. Zu einer Zeit, in der die Malerei in Fachkreisen schon fast für tot erklärt wurde, konzentriert sich die junge Künstlerin ausgerechnet wieder nahezu komplett auf die Malerei. Einige Motive wirken sogar ein wenig altmeisterlich mit gedeckten dunklen Farben, ziemlich bedeutungsschwer. Aber eben nur auf den ersten Blick. Dann wird als zweite Ebene sofort die Ironie sichtbar, die Svenjas Arbeiten jung und zeitgemäß machen. Und noch etwas erstaunt. Einige Bilder sind überwältigend groß: "Walhall" zum Beispiel hat die Maße 2,40 mal 3,80 Meter.

Auch wenn Maaß eher wortkarg und zurückhaltend ihre eigenen Bilder kommentiert, sticht sofort die ungewöhnliche Kunstfertigkeit ins Auge, mit der die großformatigen Ölbilder gemalt sind. Was ist das Besondere an diesen Bildern? Immer wieder gibt es Tiere, die mit großer Präzision dargestellt sind. Figuren aus der Kunstgeschichte oder aus eigenen Werken der Künstlerin kehren als Zitate wieder, dazu stechen große Ornamente ins Auge. Einerseits ist die malerische Präzision so hoch, dass das Werk wie ein photografischer Abbildrealismus anmutet. Doch dann transzendiert dieser Realismus sich plötzlich selbst und führt sich ad absurdum: Durch die überpräzise Darstellung wird die Bildszenerie plötzlich wieder unwirklich, gespenstisch, ja surreal. Das ist faszinierend. Und überaus gehaltvoll. Begegnet man Maaß Bilduniversum, nehmen einen mehr Fragen gefangen, als dass man Antworten findet: Erstaunlich für eine so junge Künstlerin.

Nachdem das Stipendium dieses Jahr auslief, galt es für Svenja Maaß, erst einmal ein neues Atelier zu finden. Gerade gab es den Umzug. "Bei meinen großformatigen Bildern war das für mich und meine Helfer eine echte Anstrengung, wir mussten die Bilder im Treppenhaus mit einem Kran hochziehen." Mit den neuen Räumen am Bullerdeich 12b ist die Künstlerin vollauf zufrieden. Und das zu recht. Das alte Backsteinindustriegebäude, in dem sich ihr Atelier befindet, ist heruntergekommen - einige Fenster im Treppenhaus sind geborsten, doch damit strahlt es ein bisschen was von einer verwegenen und netten Industrieromantik aus. Unweit des Bullerdeichs befindet sich auch die Wendenstraße, wo sich ebenfalls kleine Künstlerquartiere gebildet haben. Die Kreativen schätzen die inspirierende Nähe zum Wasser, zu den Elbarmen und Kanälen. Manche nennen die Ecke deswegen sogar Klein-Venedig. Maaß teilt sich ihr Atelier mit drei anderen Künstlern. Im zweiten Stock des Gebäudes wird auf einer 300 Quadratmeter-Gesamtfläche gemalt - die einzelnen Ateliers sind durch Vorhangbahnen abgeteilt.

Svenja Maaß hat 80 Quadratmeter zur Verfügung, hohe Decken und drei Fenster, an denen noch sehr dekorativ die 70er-Jahre Reklame einer Jeans-Marke klebt - hier war mal ein Jeans-Lager. Das sieht super aus. Im Abendrot leuchten die Fenster, hinter denen alte Bahngleise und Sträucher zu sehen sind. Man kann sich gut vorstellen, dass Arbeiten hier anregend ist, und die Miete ist zum Glück günstig.

Für Maaß, die in Bielefeld geboren wurde, war nach ihrem Kunststudium mit Auszeichnung klar, dass es nach Hamburg gehen würde. Warum? "Weil alle nach Berlin gehen", sagt Maaß. "Hier ist viel mehr Raum, um sich als Künstler zu entfalten und sich nicht gegenseitig auf die Füße zu treten." Mittlerweile kann die junge Künstlerin sogar vom Verkauf ihrer Bilder leben - ein Lehrauftrag für Malerei in Braunschweig sichert ein zusätzliches Einkommen.

Im September hat die mehrfach ausgezeichnete Künstlerin einige Ausstellungen. Darauf arbeitet sie fleißig mit einem neuen Bild hin, das allerdings noch nicht gezeigt werden darf. Da ist sie eigen. Ab 2010 stehen überregionale Ausstellungen in größeren Häusern an. Die Künstlerin ist also fast wunschlos glücklich - aber eines wäre noch toll: eine feste Galerie.