Experten der Internationalen Bauausstellung testen in Privathäusern, wo die Schwachpunkte liegen. Gestern waren sie am Vogelhüttendeich und fanden ungedämmte Rohre, alte Fenster und Dächer.

Wilhelmsburg

Als Kenan Kaya (44) Anfang 2009 die Gasabrechnung für das Wohnhaus Vogelhüttendeich 74 in den Händen hielt, musste er schon ein wenig schlucken. 4000 Euro Nachzahlung forderte der Gasanbieter für 2008. "Wir hatten schon mit einer Nachzahlung gerechnet, aber nicht mit einer so hohen Summe", sagt der Wilhelmsburger Schlachter. "Jeden Monat zahlen wir schon 800 Euro fürs Gas."

So kamen am Dienstagvormittag im Auftrag der Internationalen Bauausstellung Hamburg (IBA) zwei Experten ins Haus, denn die IBA hat sich ein großes Ziel auf die Fahnen geschrieben: "Wir möchten Wilhelmsburg und die Veddel schrittweise auf eine CO2-neutrale, möglichst 100-prozentig regenerative Energieversorgung umstellen", sagt IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg.

Doch aus dem Mehrfamilienhaus und der Moschee verpuffen noch viel zuviel Energie ungenutzt in den Himmel über der Elbinsel. Energieberater Matthias Rahrt (34) bohrt ein Loch in die Außenwand der Fassade. Sein Befund: "Die Wand ist mit Kalksandstein vermauert und verputzt. Ohne Dämmung geht hier geht sehr viel Wärme verloren." Auch Diplom-Ingenieurin Natàlia Juncà Vicens (28) entdeckt im Keller "Klimasünden": "Die Rohre sind nicht gedämmt - pro Rohrmeter entstehen pro Jahr zwei Euro Verluste."

Die Experten empfehlen neue Fenster und ein neues Dach fürs Haus. Und eine Solaranlage auf dem Dach der Moschee. 30 Kollektoren könnten für die Hälfte des Warmwassers und ein Siebtel der Heizwärme sorgen.

Das Objekt Vogelhüttendeich 74 ist ein besonderes Haus im Reiherstiegviertel. Es gehört der Islamischen Gemeinde Wilhelmsburg, mit fast 200 Mitgliedern die größte islamischen Gemeinde auf der größten Flussinsel Europas. In dem Backsteinbau aus dem Jahr 1928 leben zehn Familien aus mehreren Nationen - auch ein Kiosk und bald ein Friseur haben hier ihre Heimstätte. Im Hinterhof des Hauses liegt ein lindgrün-weiß angestrichener Anbau: die Ayasofya Moschee. Im Erdgeschoss beten die Männer in einem prachtvoll gekachelten Raum mit Fußbodenheizung. Die Frauen beten im ersten Stock in einem weiß gestrichenen Raum. Frauen und Kinder kommen auch zum Koran-Unterricht auf Türkisch in den ersten Stock. Kenan Kaya ist einer von elf ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern der Islamischen Gemeinde Wilhelmsburg. Die Gemeinde will jetzt kräftig Geld in die Hand nehmen, damit sie ihre Heiz- und Warmwasserkosten langfristig in den Griff bekommt und das Haus fit macht fürs 21. Jahrhundert. "Langfristig wollen wir Geld sparen", sagt Kenan Kaya, "deswegen lassen wir uns jetzt gründlich beraten."

Die Sanierung des Hauses am Vogelhüttendeich könnte sich lohnen: Allein die IBA Hamburg gibt bis zu 4000 Euro pro Wohneinheit dazu - Besitzer von Einfamilienhäusern können bis zu 10 000 Euro Förderung kassieren. Weitere Mittel gibt es aus Hamburger und Bundes-Fördertöpfen. Bis zum 30. Juni 2009 können sich Hauseigentümer auf der Elbinsel noch um einen geförderten Energiepass bewerben - und das Energiespar-Potenzial ihres Gebäudes ermitteln. Infos unter Telefon 040/380 394-0 (Zebau GmbH, Jan Gerbitz).