Der schmächtige Timmi L. soll die Studentin Kristin K. im November in Buxtehude vergewaltigt und brutal ermordet haben.

Stade. Als die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift verliest, schütteln einige Prozessbeobachter fassungslos den Kopf. Nach dem Mord an Kristin K. sprach die Polizei von "massiver Gewaltanwendung" - jetzt erst ist klar, was sie damals damit meinte. Die Details der Anklage fügen sich zu einem Mosaik des Horrors zusammen. Es scheint schwer vorstellbar, dass dieser schmächtige junge Mann, der auf der Anklagebank im Stader Schwurgerichtssaal sitzt, zu einer so brutalen Tat, zu einer solchen Explosion der Gewalt imstande gewesen sein soll.

Der Saal ist komplett gefüllt, auch zehn Angehörige und Freunde des Opfers beobachten den Prozess. Seit gestern muss sich Timmi L., der mutmaßliche Discomörder von Buxtehude, vor der ersten großen Strafkammer des Landgerichts Stade verantworten. Er soll die 21 Jahre alte Studentin Kristin K. am 16. November 2008 vergewaltigt und ermordet zu haben - so lautet der Vorwurf der Anklage.

Die vergangenen sechs Monate hat Timmi L. in der Justizvollzugsanstalt Lüneburg verbracht. Zermürbend sei die Untersuchungshaft für ihn gewesen, sagt sein Anwalt Rainer Kattau. Als der 27-Jährige in Handschellen den Schwurgerichtssaal betritt, verbirgt er sein Gesicht hinter einem Sitzkissen. Über seine persönlichen Verhältnisse, auch über seine sexuellen Vorlieben, will Timmi L. nur hinter verschlossenen Türen sprechen. Sein Verteidiger beantragt deshalb gleich zu Beginn des Verfahrens, die Öffentlichkeit auszuschließen - mit Erfolg.

Timmi L. hatte Kristin K., die an der Leuphana Universität in Lüneburg studierte und in den Semesterferien bei ihren Eltern in Ahrenswohlde lebte, in der Buxtehuder Disco "Garage" kennengelernt. Gegen 4 Uhr morgens verließen sie an jenem 16. November die "Coyote Ugly Party". Auf dem Grundstück eines nur wenige Meter entfernten Autohauses soll Timmi L. die Studentin dann erdrosselt haben. Die Polizei hatte den geschundenen Körper erst zwei Tage später entdeckt - hinter einem Schrottcontainer. Selbst hartgesottene Ermittler waren entsetzt, so schlimm zugerichtet war die Leiche.

Der junge Mann mit dem schon etwas lichten Haar, dem markanten Wangenbart und den nikotingelb verfärbten Fingern regt sich nicht, als der Staatsanwalt die Anklageschrift verliest und das grausige Martyrium der nur 1,60 Meter großen Studentin schildert. Timmi L., so die Anklage, habe sein Opfer brutal geschlagen, habe ihr etliche blaue Flecken und eine Platzwunde am Kopf zugefügt, die rechte Augenhöhle, ein Schulterblatt und zwei Rippen gebrochen, die ihre Lunge durchstießen. Mit einem scharfen Gegenstand habe er ein Ohr teilweise abgetrennt und sie so grob an den Haaren gezogen, dass ihre Kopfhaut blutete. Dann soll er sie zum Verkehr gezwungen und sie schließlich mit dem Riemen ihrer Handtasche so heftig gewürgt haben, dass ihr Zungenbein brach. Die Anklage ist der Auffassung, dass Timmi L. mit dem Mord auch verhindern wollte, dass ihn die Studentin anzeigt. Ob er nur eingeschränkt schuldfähig war, weil er unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stand, sollen Sachverständige im weiteren Verlauf des Verfahrens klären. Der Angeklagte gelte ohnehin als labil - eine "Unterbringung in eine Entziehungsanstalt kann nicht ausgeschlossen werden", sagt Gerichtssprecher Björn Kaufert.

Die Polizei hatte den Fall damals innerhalb von 48 Stunden aufgeklärt. Zum Verhängnis wurde Timmi L. eine auffällig-bunte Strickmütze, an die sich viele Disco-Besucher erinnern konnten. Am 19. November, seinem 27. Geburtstag, nahm ihn die Polizei im Haus seiner Eltern fest. Wenig später gestand er die Tat, die umso unfassbarer ist, weil Timmi L. nie sonderlich auffällig geworden ist. Zwar stand er als Jugendlicher wegen mehrerer Schlägereien vor Gericht und war einmal auf die Justitia vor dem Rathaus geklettert. Auch soll das Verhältnis zum Stiefvater angespannt gewesen sein. Aus diesem Grund soll er vor vier Jahren nach Neu Wulmstorf gezogen sein, wo er eine Hundeschule leitete. Doch in seinem Heimatdorf, der 600-Seelen-Gemeinde Hamelwörden, galt er vielen als "nett" und "umgänglich". Als einer, der gut mit Kindern konnte und eine Vorliebe für spontane Aktionen hatte - etwa dann, wenn er im Winter mit Freunden in der Kiesgrube baden ging. Für seinen Anwalt Rainer Kattau gehört er "eher in die Kategorie Künstler in Montmartre".

Die Kammer hat 14 Verhandlungstage anberaumt, am Freitag wird der Prozess fortgesetzt.