Dass es am Faslam bisweilen hoch her geht, ist kein Geheimnis.

Es wird gebechert, was das Zeug hält, und bisweilen kommt es dabei auch mal zu der ein oder anderen Meinungsverschiedenheit, die dann auch in die ein oder andere Handgreiflichkeit mündet. Dass die Streithähne, pardon: Streithennen, dabei zwei junge Frauen sind, die eine Krankenpflegehelferin und die andere Friseurin, und die Friseurin dabei am Ende des Disputs zwei Schneidezähne und vier Zehntel ihrer Haare verliert, ist aber sicherlich ungewöhnlich und mündete am Montagvormittag in einen dreistündigen Prozess vor dem Amtsgericht Winsen.

Angeklagt im Saal 214 ist die Krankenpflegehelferin Linda R. (22) aus Winsen. Die Frau mit den braunen Haaren nimmt neben ihrem Anwalt Platz und fragt die drei anwesenden Pressevertreter: "Was gucken Sie mich denn so böse an?" Vor dem Gerichtssaal sitzt die Friseurin Jennifer R. (20) aus Winsen. Sie hat blonde Haare, die aber größtenteils nicht echt sind, sondern ein sogenanntes Haarweaving. So heißen künstliche Haarsysteme, die mit dem echten Haar verwoben sind.

Jennifer R. hat nach der Attacke Stellen auf ihrem Kopf, an denen überhaupt keine Haare wachsen. Ihre beiden Schneidezähne wurden wieder reimplantiert, aber "sie drohen abzustoßen". Acht Wochen konnte die Friseurin nach dem "Vorfall" nicht arbeiten. "Ich sah danach aus wie Frankensteins Tochter."

Stöckte, Sonntag, 3. Februar 2008 gegen 2.15 Uhr vor "Sievers' Gasthaus" am Hoopter Elbdeich - die Nacht des sogenannten Lumpenballs. Jennifer R. verlässt mit ihrem Ex-Freund Hannes K. (24) die Festivität. Sie habe nur einen "Piccolo" getrunken und will mit dem Taxi nach Hause. "Linda R. kam von links auf mich zu und pöbelte mich an. Ich sagte, 'aus dem Alter bin ich raus'. Sie fragte, ob sie mit dem Taxi mitfahren kann, ich sagte nein. Plötzlich griff sie mir in die Haare, ich schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf. Dann habe ich immer wieder Schläge gespürt. Mit der rechten Hand hielt sie meine Haare, mit der linken hat sie zugeschlagen."

Ein Notarzt fand einen Zahn auf dem Gehweg, der andere Zahn hing lose im Mund. Jennifer R. hatte "massive Kratz- und Schürfwunden im Gesicht und Würgemale am Hals". Sie konnte wegen der Schmerzen nicht mehr lang genug in den Alkomaten pusten, deswegen gibt es keine Werte für sie. Die Angeklagte Linda R. blies einen Wert von 1,6 Promille. Sie hat den "Vorfall" anders erlebt. Die Friseurin habe sie mit den Worten "Linda., du Schlampe!" angesprochen und sie an den Haaren gezogen. Da habe sie auch gezogen. Sie habe "die Hände bei ihr im Gesicht gehabt und sie bei mir". Richter Rolf Fuhlendorf glaubt ihr nicht, sondern dem einzigen damals nüchternen Zeugen, Christian R. (24), geborener S. Der ist mittlerweile mit der Friseurin verheiratet und trägt ihren Nachnamen. Fuhlendorf: "Aber als der Gatte vor der Polizei aussagte, war die Liebe noch nicht entfacht." Das Urteil: 2400 Euro Geldstrafe.