Neuenfelde. An einem Baum am Deichwanderweg hängen noch Fetzen eines Protestplakates mit schwarzem Kreuz darauf. Über der Gruppe von Neuenfeldern, aus Jork, Harburg und Moorburg schwebte Montag kurz nach 19 Uhr beängstigend niedrig ein Airbus auf den Werksflughafen in Finkenwerder ein. Dr. Elke Först, Leiterin der Bodendenkmalpflege in Hamburg, hielt ein paar Sekunden inne. Sie hätte ihr eigenes Wort nicht verstanden, die gut 30 Gäste der Veranstaltung am Rosengarten 42 in Neuenfelde auch nicht. Ein Bild mit Symbolcharakter. "Wir tun hier nur unsere Arbeit", so die am Helms-Museum in Harburg angesiedelte Wissenschaftlerin. "Die politische Entscheidung für den Ausbau des Flugzeugwerkes haben wir nicht zu vertreten." Die Kirchengemeinde St. Pankratius in Neuenfelde hatte gemeinsam mit dem Helms-Museum dorthin eingeladen, wo vor einer Reihe von Monaten - unter dem Protest vieler Neuenfelder - das erste alte Fachwerkhaus dem Plan einer weiteren Landebahnverlängerung für die Airbus Deutschland weichen musste. Gegen die Landeplanverlängerung kämpfen etliche Neuenfelder und andere immer noch. Plakate in der Nachbarschaft und im Ortsteil selbst machen das deutlich. Doch dort, wo der Hof Stehr auf einer Wurt gestanden hat, sind heute Grabungstechniker und Hilfskräfte an der Arbeit. Erst wurden Bohrungen niedergebracht, seit dem 2. Mai wird gegraben. Gelb-schwarze Schilder hinter einem Drahtzaun weisen darauf hin. Schicht um Schicht wird abgetragen. Ziele: Es soll festgestellt werden, seit wann Gebäude auf der Wurt gestanden, also Menschen dort gewohnt haben. Oder auch, ob der Rosengarten-Deich die älteste Hochwasserschutzanlage der III. Meile Alten Landes war. Endgültige Aussagen können Dr. Elke Först und Grabungsleiter Ullrich Masemann noch nicht machen. Bisher wurden mehrere Schichten freigelegt, dicke Findlinge beiseite geräumt und Funde gemacht, die belegen, dass es auf der Wurt nicht nur ein Haus , also das jetzt abgerissene aus dem 19. Jahrhundert, gegeben hat. "Leben" ist schon jetzt bis zum 13. Jahrhundert nachzuweisen. Aber das ist noch nicht das Ende. In diesem Jahr werden die - von Airbus finanzierten - Grabungen eines Teams von gut einem Dutzend Männern und Frauen noch bis Mitte November unternommen. Im kommenden Frühjahr werden sie fortgesetzt. "In den nächsten Monaten wird es richtig spannend", sagte Masemann bei der Führung durch die Grabungsstätte. Dr. Först ergänzte: "Es ist möglich, dass dann auch eine Besiedlung im 12. oder 11. Jahrhundert noch nachgewiesen werden kann." Der heiße Sommer war für die Grabung am Rosengarten und die dort tätigen Archäologen nicht günstig. Immer wieder musste der Kleiboden gewässert werden. Und dennoch war er bald wieder knochenhart. Gefunden wurden bereits etliche interessante Dinge. Sie wurden von den Gästen der Führung interessiert begutachtet. Oft war ganz Überraschendes dabei: etwa Tonmurmeln, bäuerliche Keramik wie Salbentöpfchen aus dem 18. Jahrhundert, unter den Tonpfeifen ein Exemplar, das auf 1866 datiert ist, enthält es doch Hinweise auf das Ende des preußisch-österreichischen Krieges, Ofenkeramik von 1720, die so genau datiert werden kann, weil es Gegenstücke im Altonaer Museum gibt. Es gibt eine Reihe von Münzen, die zu Tage gefördert wurden - und den Knopf eines kaiserlichen Zolleintreibers von etwa 1810. Der erste Besuch auf der Grabungsstätte fast an der Nahtstelle von Neuenfelde und Finkenwerder war Montagabend den "Einheimischen" vorbehalten, darunter auch früheren Bewohnern des Hofes, die die Entwicklung mit reichlich gemischten Gefühlen sahen. Doch am Sonntag, 14. September, am "Tag des offenen Denkmals", besteht wieder Gelegenheit, sich die Wurtgrabung am Rosengarten 42 anzusehen. Dann sind, so Dr. Först, zwei öffentliche Führungen geplant.
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