Sag's mit Blumen? Von wegen! Diese Frauen aus Stade stehen vielleicht morgen schon vor Ihrer Tür - und dann geht die Party erst so richtig los.

Grün-gelb-rotes Scheinwerferlicht strahlt auf lachsfarbenen Tüll. Oder doch Pink? Vermutlich Pink. Das wirkt glamouröser und passt besser zu dem angeblichen Star-Gast aus Hollywood, der nun in einem Nebenraum der Wiepenkathener Tennishalle von seinem Techtelmechtel mit Playboy-Chef Hugh Hefner erzählt: Busen-Ikone Pamela Anderson. Anke Korthals (50) ist jetzt in ihrem Element. Sie trägt zwei Bunny-Ohren, die lustig hin- und herwackeln, wenn sie den Kopf bewegt, ein pinkfarbenes Tutu und eine, ja wirklich, eine Handtasche, die aussieht wie ein Pudel, gleichfalls Pink. Da steht sie, kokettiert mit ihrem Zuviel an Pfunden, breitet die Arme aus und singt mit Inbrunst Gittes Klassiker: "Ich will 'nen Cowboy als Mann."

Korthals ist Mitglied der Stader Glückwunschboten. Seit zwei Jahren ist das quirlige Damen-Trio die schrille Quintenessenz auf Geburtstagen, Hochzeiten und anderen Feiern. Schon für 40 Euro kommen sie, singen ein Liedchen - und ziehen dabei Stars gleich reihenweise durch den Kakao. An diesem Abend gibt das Trio einen Auftritt vor guten Freunden. Das Publikum hält sich noch den Bauch vor Lachen - dabei wird es jetzt ernst.

Grid Rotter (54) betritt den Raum. Gerade eben hat sie eine tatterige Greisin gespielt, die sich an einen Gehstock klammert. Jetzt ist sie eine Domina mit Latex-Jäckchen, Leder-Käppi und Reiter-Gerte. "Was glotzt ihr so", faucht sie die Herren an, die nun doch etwas irritiert gucken. "Schieb den Stuhl beiseite", bellt sie einen Klaus an, der unsicher lächelt, sich aber fügt. Ab und zu rechnet man(n) mit einer Strafe oder einer Dressur, Klaus auf allen Vieren vielleicht. Doch plötzlich weicht alle Härte aus Rotters Stimme, und sie haucht den Trude-Herr-Klassiker "Ich will keine Schokolade", als hätte sie gerade mit Schmieröl gegurgelt.

Klarer Fall: Die Stader Glückwunschboten spielen immer Pingpong mit den Erwartungen des Publikums. Da ist ein Star, irgendeine Ikone, und sie machen daraus mit vollem Körpereinsatz eine hochnotpeinliche Witzfigur. Ihre Revue scheut keine Peinlichkeit, keine noch so grässliche, neonfarbene Perücke, nicht mal einen Stripp im bayrischen Dirndl. Das ist ziemlich klamaukig, manchmal derbe und immer ganz schön frivol. Auf einer Yacht markierte Grid Rotter mal eine knallharten Rocker-Typ mit Kodderschnauze. Doch statt AC/DC zu schmettern, säuselte sie mit tränenerstickter Stimme das plattdeutsche Liebeslied "Dat du min Leevsten büst".

So ist das: Bei ihren Auftritten schonen die Boten weder sich noch ihr Publikum. Einen Erdbeer-Bauern aus Kutenholz drangsalierten sie einmal so lang, bis er mit dem Mund eine Erdbeere aus Korthals' üppigem Dekollete fischte. Er feierte seinen 50. Geburtstag, um ihn herum standen die Familie und die besten Freunde. "Der musste viermal abtauchen", sagt Korthals und lacht. Gern picken sich die Boten auch einen Sidekick aus dem Publikum, der dann beim Auftritt als Zielscheibe ihres Spotts herhalten muss. "Da bleibt also in jedem Fall was hängen", findet Rotter. Auch deshalb ist das Geld für ein Glückwunsch-Liedchen plus ein paar persönliche Zeilen über den Geehrten deutlich origineller investiert als in einem Blumenstrauß. "Außerdem verwelken wir nicht", sagt Heike Zyber (44). Gut 100 Songs haben die Boten auf dem Kasten. Auf Wunsch studieren sie auch neue Lieder vorab ein. Ihre Broschüre, die aussieht wie eine Menükarte und sich auch so liest, listet nur einen Bruchteil auf: Maria Schmedes alias das Stubenmädchen Chantal mit dem Klassiker "I kann net bügeln" gibt's für den Basispreis von 40 Euro, für 30 Euro mehr exhumieren sie DJ Ötzis angestaubten "Anton aus Tirol".

Soviel kostet auch die XXL-Version von Marilyn Monroes "I wanna be loved by you". Übergröße deshalb, weil sich die drall-drollige Korthals dabei wie seinerzeit Marilyn überm U-Bahn-Schacht von einem Gebläse den Rock hoch wirbeln lässt. Zehn Minuten vor dem Auftritt - die Damen haben bereits mehrere Flaschen Sekt geköpft - sitzen sie im Vorraum und schwatzen über die Philosophie der Glückwunschboten, die eine Art Kontrastprogramm zu ihrem wahren, bürgerlichen Leben sind: Zyber und Rotter sind Hausfrauen, Korthals ist Assistentin in einer Computerfirma. Wofür sie stehen? "Frauenpower", sagt Heike Zyber.

Es geht um den ultimativen Spaß: um Spaß auf ihre Kosten, auf die der anderen, auf die des guten Geschmacks. Egal. "Hauptsache wir haben Spaß, da kennen wir keine Kompromisse", sagt Grid Rotter und fügt hinzu: "Wir sind Zicken."

Diese rotzfreche Attitüde und das Faible für grellbunte Outfits kommt nicht von ungefähr: Zehn Jahre waren Grid Rotter und Anke Korthals mit dem Travestie-Theater "Unverschämt G Punkt" auf Achse. Dann trennte sich die Combo, doch die Lust auf die schrille Scharade blieb. Im Januar 2007 gründete Grid Rotter mit Heike Zyber einen Kostümverleih und wenig später mit Anke Korthals die Glückwunschboten. Seitdem bedienen sie sich aus dem riesigen Kostüm-Fundus und touren, gelegentlich begleitet von Anna Junack (24), die als "Azubine" in der Garderobe schuftet. Immerhin: Manchmal darf sie sich Elfenohren ankleben.

Nach einer halben Stunde kommt auch die letzte Nummer des Abends daher wie eine kreischbunte Überraschungstüte. Bis zu zehnmal wechseln sie während einer Show die Kostüme, die sie in mehreren Lagen übereinander tragen und die sie sich bei jedem Figuren-Wechsel einfach vom Leib reißen. Nach Greisen, Dirndl-Stripperinnen, einem Pamela-Klon, einer frustrierten, alternden Amerikanerin mit Sex-Notstand und einer Domina tänzeln nun alle Boten, Zyber mit einer Plastik-Banane auf dem Kopf, im Bast-Röckchen durch den Raum und schmettern den Evergreen "Es gibt kein Bier auf Hawaii." Es gibt tatsächlich kaum Bier in Wiepenkathen, dafür aber jede Menge Sekt und Korn auf und unter den Tischen.

www.stader-glueckwunschbote.de

Hauptsache, wir haben Spaß. In dieser Hinsicht kennen wir überhaupt keine Kompromisse. Grid Rotter