150 Gymnasiasten sind Komparsen für Siegfried-Lenz-Film mit Suzanne von Borsody und Jan Fedder. Schulleiter spricht von “toller Erfahrung.“

Winsen. Muriel Amstalden, 35, hat eine kräftige Stimme. Und sie hat viel zu sagen an diesem Sonnabend in der Aula des Gymnasiums Winsen. Muriel Amstalden ist Setaufnahmeleiterin für die Aspekt Telefilm-Produktion GmbH. Und die dreht an diesem Wochenende Szenen für einen 90-Minuten-Film, der im nächsten Jahr in der ARD ausgestrahlt wird: Arnes Nachlass - nach dem Roman des großen deutschen Schriftstellers Siegfried Lenz, der am 17. März 1926 in Lyck, Ostpreußen, zur Welt kam.

Muriel Amstalden wird mit kräftiger Stimme immer wieder einen Satz an diesem Wochenende sagen: "Dann kommen wir zur Ruhe, bitte schön!" Und dann kommen die Schauspieler, die Filmleute und die 150 Schüler, Lehrer und Eltern des Gymnasiums Winsen zur Ruhe - sie sind Komparsen, die im Film zu sehen sein werden. Der Schauspieler Max Hegewald, 20, aus Berlin spielt die Hauptfigur Arne. Es ist 12.30 Uhr und das Team dreht eine Szene, in der Arne einen Aufsatz vorlesen wird. Die Komparsen hören zu. Auf der Bühne sitzen 25 Schüler der Bläserklasse mit ihren Instrumenten. Arne liest mit leiser Stimme vor - und bricht zusammen. Die Szene ist im Kasten. Mittagspause.

Die Winsener Schüler, Lehrer und Eltern essen Gulasch mit Gurkensalat in der Kantine. Drei Mütter und ein Vater haben das Essen zubereitet. Die Schauspieler essen draußen Feineres von einem Caterer. Dazu gibt es Espresso und Mangocreme. Der bekannteste Schauspieler an diesem Tag ist der Hamburger Mime Jan Fedder, 57. Er hat schon bei den ersten drei Siegfried-Lenz-Verfilmungen für die ARD mitgespielt: "Der Mann im Strom", "Das Feuerschiff" und "Die Auflehnung". "Ich bin mit Siegfried Lenz befreundet", sagt Jan Fedder, "aber ich lese ihn nicht, ich spiele ihn."

Jan Fedder zündet sich eine Dunhill an. "Ich halte Siegfried für den besten deutschen Schriftsteller", sagt die Eiche von Schauspieler. "Er ist bedeutender als Günter Grass." Fedder ist in der Hamburger Neustadt groß geworden. Er lebt seit 44 Jahren auf St. Pauli. "Die Siegfried-Lenz-Verfilmungen haben die deutsche Kultur bereichert", sagt er.

Die zweite bekannte Schauspielerin am Set ist Suzanne von Borsody, 54. Sie nestelt an Jan Fedders Sakko und sagt in der Pause: "Die Drehzeiten werden immer kürzer. Wie überall wird die Arbeit verdichtet. Es ist viel zu tun, wir drehen den ganzen Juni über. Ich hoffe, es wird ein schöner Film." Arne Hellmer, die Hauptfigur, hat im Alter von elf Jahren als einziger den Suizid seiner Familie überlebt und wird als Pflegekind von der Familie eines Freundes seines Vaters aufgenommen, der in Hamburg eine Abwrackwerft betreibt.

Arne ist ein scheuer, in sich gekehrter Junge, mit einer erstaunlichen Intelligenz und sprachlichen Hochbegabung - Arne lernt autodidaktisch Finnisch. Er hat ein fotografisches Gedächtnis, ist psychisch jedoch kaum belastbar und neigt zu Halluzinationen.

Auch Schulleiter Reinhard Haun, 64, ist an diesem Drehtag einer der Komparsen. Er sitzt in der dritten Reihe in der Aula. Vor drei Wochen haben die Filmleute bei ihm angerufen, auf der Suche nach einer "Location". Die Filmleute haben sich einige Schulen angeschaut, aber das Gymnasium Winsen hat ihnen am besten gefallen. Dafür gibt es jetzt auch einen vierstelligen Betrag für den Schulverein.

"Für unsere Schüler sind diese beiden Drehtage in unserer Schule eine tolle Erfahrung", sagt Haun. "Sie können hinter die Kulissen einer Filmproduktion schauen. Diese Erfahrung werden wir im Deutschunterricht weiter vertiefen." Haun hat durch die Filmaufnahmen an seiner Schule auch etwas gelernt: "Ich habe erfahren, wie verplant unsere Schüler und Lehrer sind. Es war gar nicht so einfach, binnen drei Wochen 150 Komparsen zu gewinnen. Die Jugendlichen sind in der heutigen Zeit auch durch die verkürzte Schulzeit stark belastet."