Vor der Gaststätte Zur Linde in Wilhelmsburg steht seit 17 Wochen ein ausgebrannter polnischer Kleinlastwagen. Niemand fühlt sich dafür zuständig.

Wilhelmsburg. Ratlos blicken Ursula und Werner Nowostawski auf das verkohlte Desaster vor ihrem Haus. Seit fast 17 Wochen steht der ausgebrannte Rest des polnischen Citroëns auf dem Parkplatz des Hotel-Restaurants Zur Linde, das die beiden an Josef Karaqi verpachtet haben. Die Motorhaube ist zerstört, die Sitze sind verkohlt und hinter der Seitentür blitzen unzählige verrußte Behälter mit Reinigungsmitteln hervor. Doch weder Pächter noch Eigentümer der Wilhelmsburger Gaststätte können etwas gegen das fremde Autowrack tun, das ihnen gehörig die Gäste-Bilanz verhagelt. Sie sind Opfer einer Zuständigkeits-Posse, die an einem späten Abend Mitte Februar ihren Anfang nahm.

Es war kurz vor Mitternacht, als plötzlich zwei polnische Männer durch die Tür der Gaststätte traten. Sie wollten nur für eine Nacht bleiben, sagten sie und verschwanden in ihre Zimmer. Zwischen 3 und 4 Uhr bemerkten Nachbarn, dass der Klein-Lkw der Polen in Flammen stand und alarmierten die Feuerwehr. Die zwei Arbeiter wurden mit zur Polizei genommen, kurze Zeit später aber wieder frei gelassen. Die Beamten seien von Brandstiftung ausgegangen und hätten ihnen gesagt, dass sie den Wagen so lange nicht anfassen sollten, bis die Spurensicherung da gewesen wäre, erzählt Maria Karaqi, die den Betrieb gemeinsam mit ihrem Vater führt. So weit, so gut. Doch dann begann sich die Sache zu ziehen.

Der letzte Sachverständige kam erst im April und stellte am Fahrzeug Totalschaden fest. Da gammelte das Wrack schon mehrere Wochen auf dem Parkplatz vor sich hin. "Ich habe immer wieder bei der Polizei angerufen und gefragt, was jetzt passiert", sagt Maria Karaqi. Ihr sei lediglich gesagt worden, sie sollten abwarten.

Schließlich schaltete sich auch das Eigentümer-Ehepaar Nowostawski ein. "Wir wussten ja auch nicht, was wir machen sollten", sagt Werner Nowostawski. Nur eines wussten sie: Das Wrack muss weg, sonst bleiben die Gäste aus. "Ist doch klar, dass die sich fragen, was bei uns los ist, wenn sie so was sehen." Niemand stelle sein Auto freiwillig neben ein ausgebranntes Auto, weil er befürchtet, dass seinem Wagen Ähnliches widerfährt.

Die Polizei erklärte ihnen letztlich, dass nach Abschluss aller Ermittlungen nur der Fahrzeughalter für das Entsorgen des Autos zuständig sei und gab ihnen die Kontaktdaten in Polen. Unzählige Male habe sie daraufhin den Halter angemailt, angefaxt und angerufen, sagt Maria Karaqi. Keine Reaktion. Auch die Polizei griff nicht ein, denn da das Auto auf privatem Grund steht, sind ihr die Hände gebunden.

"Selbst wenn das Auto auf öffentlichem Grund stehen würde, wären wir nur zuständig, wenn es nicht zugelassen wäre", erklärt Andreas Schöpflin von der Hamburger Polizeipressestelle. Zugelassene zerstörte Fahrzeuge wiederum, die auf öffentlichem Grund stehen, fallen in die Zuständigkeit des Bezirksamts, während zugelassene Fahrzeuge auf Privatgrundstücken reine Privatangelegenheit sind. "Das Auto ist Eigentum des Besitzers, er muss entscheiden, was damit geschehen soll."

Nur was ist, wenn der Besitzer nicht zu erreichen ist? "Wenn wir das Auto eigenmächtig wegbringen würden, würden wir uns strafbar machen", sagt Ursula Nowostawski. Selbst der Weg über die Versicherung war bisher nicht von Erfolg gekrönt. Sie habe die Information erhalten, dass der Wagen über ERGO Hestia versichert sei. Wegen der Sprachbarriere habe sie bei ERGO in Düsseldorf angerufen und sie gefragt, ob sie sich nicht um den Fall kümmern könnten. "Daraufhin wurde uns nur gesagt, dass wir uns direkt an die polnische Versicherung wenden müssen."

Auf Nachfrage erklärt Jens Buchkremer von der ERGO-Pressestelle, dass er aus Datenschutzgründen nichts zu dem Fall sagen könne. Er könne nicht einmal bestätigen, dass der Wagen bei ERGO versichert sei. Nur so viel: "Bei einem international agierenden Unternehmen wie ERGO arbeiten wir selbstverständlich grenzüberschreitend."

Die Nowostawskis können jetzt nur hoffen, dass das auch in ihrem Fall gilt. Dass sie in dieser Woche doch noch per Fax eine Antwort vom Halter erhalten haben, bringt eine weitere Wendung in den Fall. Er schreibt unter anderem, dass ihm die Leasingfirma des Wagens den Vertrag gekündigt habe. Deshalb sei er gar nicht mehr zuständig. Er sei aber optimistisch, dass es zwischen Firma und Versicherung in Kürze eine Entscheidung gebe. "Was das jetzt wieder bedeutet, wissen wir auch nicht", sagt eine entnervte Ursula Nowostawski.