Schüler der Stadtteilschule Ehestorfer Weg überschreiten bei Musicalproben ihre Grenzen

Harburg. "Auf, auf, tief, tief, hoch! ruft Trainerin Sarah Schedl (28). Sie macht dabei aerobicartige Bewegungen, nur nicht ganz so abrupt. Sie gibt sich Mühe, nicht all zu streng zu wirken. Kann sie auch gar nicht. Schließlich hat sie ein helles freundliches Gesicht, mit strahlend blauen Augen. Wenn man ihr gegenüber steht, hat man das Gefühl, dass schon alles gut werden wird. Doch sie probiert es auch noch einmal autoritär: "Schreit es raus!", ruft sie in einer Art Kampfschrei der Gruppe zu. Sarah Schedl will nicht etwa einer Horde Hausfrauen zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen, sondern Schülern der Stadtteilschule Ehestorfer Weg im besten Teenager-Alter das Spielen in einem Musical beibringen.

Und nach einer Trainingseinheit von 45 Minuten ist dabei auch schon richtig was zustande gekommen. Kein unkoordinierter Haufen mehr, sondern richtige kleine Tänzer. Anstelle von wildem Hin- und Herlaufen sind nun rhythmische Bewegungen, auf den Takt genau, getreten. Und aus den Augen der Schüler ist nun Scham und Peinlichkeit gewichen. Stolz und Freude sorgen für eine aufrechte Körperhaltung. "Es ist anstrengend, aber es macht voll Spaß!", sagt die ausgebildete Tänzerin. Sie und vier weitere Dozenten bringen rund 100 Schülern der siebten Klassen das Tanzen, Singen und Schauspielern bei, eben das Handwerk eines Musicaldarstellers. Aber die Teenager sind mehr als Handwerker in einem Lehrgang. Lediglich fünf Tage haben sie Zeit, das Musical "Endlich Elbphilharmonie" einzustudieren. So ist das Konzept des Projektes "Musical at School" ausgerichtet. Bereits seit 2007 ist vor allem Hamburger Schulen möglich, an diesem Projekt teilzunehmen. In einer Woche wird dann ein Musical aus dem Repertoire der Stahlberg-Stiftung einstudiert. Die Musicalwoche ist eine Pflichtveranstaltung. In der Stadtteilschule Ehestorfer Weg finden in dieser Woche nicht nur geborene Sänger und Teilzeit-Diven zusammen. Auch Zappelphilipp und Klassenclown müssen Schweiß, Muskelkater und Müdigkeit überwinden, um das gemeinsame Projekt zu realisieren. Schließlich heißt das Motto von "Musical at School" "Grenzen überwinden" - und damit sind vor allem die eigenen gemeint.

Viel Kraft und Konzentration wird den Schülern abverlangt, aber auch Motivation und Teamgeist. Und dann ist da noch das Lampenfieber. "Ich bin sehr aufgeregt.", sagt Ennur Sawanni (13), "vor allem weil unsere Eltern und Freunde am Freitag da sein werden. Die dürfen ja alle kommen." Sein Freund Marcel Baylan (14) pflichtet ihm bei. "Ich singe zwar beim Duschen", berichtet der Schüler in betont lässiger Sitzhaltung. "Aber Singen und Schauspielern sind sonst nicht so meine Leidenschaft." Kaum hat er das ausgesprochen, klopfen ihm etliche Hände auf die Schultern. "Na klar kannst du das" und "Du bist voll gut im Schauspielern!", hört man aus der Gruppe.

Auch die Dozenten nehmen diese Bandbreite der Gefühle wahr: "Ich habe immer die Befürchtung, dass die Kinder durcheinander kommen", gesteht Tanz-Dozentin Sarah, wobei oft fehlendes Rhythmusgefühl das Problem sei. Ihre Kollegin, Marie Schneider, 26, sieht das ähnlich. "Mit Musik hat man die Kinder zwar erst mal an einem bestimmten Punkt. Tanzen und Singen zusammen zu bringen ist dann noch einmal eine andere Schwierigkeit." Unter dem Arbeitsmotto "Gemeinsam stark" hätten die Schüler aber schon ein gutes Grundgerüst erarbeitet. "Ich bin total zuversichtlich, dass die Schüler das am kommenden Freitag schaffen", sagt Kohlert. Schulleiter Wolfgang Meyer (56) ist gespannt, was die Schüler der siebten Klassen aus ihrem "Potenzial bis Freitag machen werden. Dieses Projekt habe für ihn Ähnlichkeit mit einer Klassenfahrt. Wenn die Schüler also am Freitag um 17 Uhr von dieser zurückkehrten, würde der "Gemeinschaftseffekt" deutlich werden.

Die Aufführung "Endlich Elbphilharmonie" an der Stadtteilschule Ehestorfer Weg, am Ehestorfer Weg 14, findet am Freitag, 8. Juni, statt. Beginn ist um 17 Uhr, der Eintritt ist frei.