Eine Glosse von Birgit Jaklitsch

Kinder halten für Eltern manche Überraschung bereit. Als meine zwölfjährige Tochter, nennen wir sie Mausi, verkündete, sie wolle ab sofort mehr Verantwortung übernehmen, habe ich mich ehrlich gefreut. Bedeutete das Pünktlichkeit, Fleiß oder gar ein ordentliches Zimmer? Nein, ganz und gar nicht!

Sie hatte sich bei unserer Nachbarin als Babysitter verpflichtet.

War es klug, einer Zwölfjährigen die Aufsicht über zwei achtjährige, extrem aufgeweckte Zwillingsjungen zu übergeben? Mausi jedenfalls hielt das Ganze für eine Spitzenidee: "Das wird cool, und mein Taschengeld kann ich auch aufbessern."

Wir ließen sie gewähren, das flaue Gefühl im Magen blieb. Als ich abends von der Arbeit kam, erwarteten mich eine kleinlaute Mausi und ein hektischer Ehemann, der mich mit den Worten "Keine Zeit, ich muss die Handschellen durchsägen" empfing. Wie sich herausstellte, hatten die Zwillinge die Erziehungsversuche meiner Tochter schnell satt gehabt und sie kurzerhand verhaftet. Kompliziert wurde die Sache, weil sie dafür die echten Handschellen ihres Polizisten-Papis verwendet hatten.

Nachdem nun unsere gesamte Siedlung mit ihren Laub-, Eisen- und Sonst-noch-irgendwas-Sägen an Mausis Armschmuck gescheitert waren und mein Nachbar Horst mit seiner Brechstange vor uns stand, warf Mausi mir ihren Das-wirst-du-doch-nicht-zulassen-Mutti-Blick zu.

Wir packten unsere kleine Gefangene ins Auto und fuhren auf das nächstgelegene Polizeirevier. Dort probierten alle Beamten, hochgradig amüsiert, ihre Handschellenschlüssel aus. Unf tatsächlich: Endlich passte einer. Zu Hause angekommen, fiel unsere Tochter todmüde ins Bett. Mausi hatte gelernt, dass man als Zwölfjährige zwar unglaublich cool ist, aber trotzdem von Achtjährigen überlistet werden kann.