Zwei Elfjährige entdecken beim Spielen auf der Harburger Schloßinsel an einer Baustelle jahrhundertealte Scherben und Knochen.

Harburg. Es war ein sonniger Wochenendnachmittag in diesem Frühjahr. Der Harburger Immobilienkaufmann Jörg Niezgodka, sein elf Jahre alter Sohn Valentin und dessen bester Freund Malte, ebenfalls elf Jahre alt, schauten aus dem Wohnzimmerfenster auf den Lotsekanal im Harburger Binnenhafen. Das Wetter war viel zu schön, um drinnen zu spielen.

"Wir gehen nach draußen", sagte Valentin, nahm seinen Freund an die Hand, und schon waren die beiden auf Entdeckungstour vor der Haustür, auf der Harburger Schloßinsel. Die ist derzeit ein wahres Paradies für kleine Entdecker. Und so sollte dieser Nachmittag für die Jungen einige Überraschungen parat halten. Sie fanden Knochen, alte Scherben und ein Pfeifenstück.

"Hier wird so viel gebaut", sagt Valentin, "es ist ganz einfach interessant, über die Schloßinsel zu gegen." Menschen siedelten hier schon vor mehr als 1000 Jahren. Bauern und Händler ließen sich mit ihren Waren per Boot über die Elbe setzen. Der Handelsplatz wurde wegen Überfällen und Plündereien später mit der Horeburg und einer Schutzmauer gesichert. Das Schloss wurde gebaut, heute ist davon nur noch ein wenig repräsentativer Zweckbau an der Bauhofstraße übrig geblieben. Aber seit vor zwei Jahren hinter dem ehemaligen Schloss, beim Überwinterungshafen, die Arbeiten für das Wohnungsbauprojekt "Marina auf der Schloßinsel" begannen, laufen auch wissenschaftliche Ausgrabungen der Bodendenkmalpflege des Helms-Museums.

Für die professionellen Archäologen ist die Schloßinsel eine echte Fundgrube, um Harburgs Vergangenheit noch etwas genauer ergründen zu können. Sie haben im Untergrund, neben dem Harburger Schloss an der Bauhofstraße, bereits Fundamente und Mauerwerk des vorderen Schloss-Torbogens freigelegt, ebenso eine noch immer gut erhaltene Wasserleitung aus ausgehöhlten Baumstämmen. Diese Ausgrabungsstätte soll nach Möglichkeit als Anschauungsort konserviert werden. Harburgs Bezirkspolitiker sind mit dem Thema befasst.

An der Bauhofstraße gibt es seit kurzem neben der Landschaftsgestaltung "Park auf der Harburger Schloßinsel" auch die Baustelle des Wohnungsbauprojekts "Quartier am Park". Dort hatte ein Bagger beim Erdaushub einen großen Haufen Harburger Geschichte ans Tageslicht befördert.

An diesem Erdhaufen konnten Malte und Valentin einfach nicht vorbeigehen. Es war Wochenende, die Arbeit ruhte, und da war es für die beiden Jungen sehr verlockend, zu dem Haufen auf das Baugelände zu gehen - und auch mal mit den Händen in der lockeren Erde zu wühlen. "Da lagen schon ganz viele Knochen obenauf", sagt Malte, "wir haben alle unsere Fundstücke zum Saubermachen mitgenommen."

Außer Knochen von Rindern und Schweinen, war auch ein Unterkiefer mit Zähnen dabei, der vermutlich von einem Reh stammt. Und Valentin fand einen Knochen, der möglicherweise Teil eines menschlichen Unterschenkels war. Zumindest hat er das Fundstück seiner Bio-Lehrerin in der Schule gezeigt und beim Vergleich mit einem menschlichen Skelett reifte die Überzeugung, dass es sich um den Knochen unterhalb des Kniegelenks handelt.

"Wir haben alles mit Bürsten und Wasser geputzt", sagt Malte. Und Valentin ergänzt, dass sie auch eine Pinzette benutzen mussten, um alle Sandkörner entfernen zu können. Beim Reinigen kam auf einer Glasscherbe das Siegel einer Wasserflasche aus Bad Pyrmont mit der Aufschrift "Pyrmont Water" zum Vorschein. Die Jungen wollten mehr darüber wissen, und Jörg Niezgodka schaltete den Computer an.

Im Internet fanden die Jungen heraus, dass die Flasche vermutlich aus der Zeit um 1750 stammt. Das Pyrmonter Wasser - ein Massenprodukt - war früher über Bremen insbesondere nach England exportiert worden. Malte fand noch ein damaliges Massenprodukt: den Keramikkopf einer Gesteck-Tabakspfeife. "Das waren spannende Entdeckungen", sagt Valentin.

Dr. Elke Först, wissenschaftliche Leiterin der Bodendenkmalpflege, ist dagegen nicht wirklich begeistert. "Die Jungen hätten die Baustelle nicht betreten dürfen. Das ist zu gefährlich. Und wir sind doch auch an den Ausgrabungen auf der Baustelle interessiert." Sie bezweifelt, dass es sich bei dem Knochenfund um einen menschlichen Knochen handelt. "Es gab dort keine Bestattungen, in der Erde liegen Küchen- und Haushaltsreste. Denn es gab damals keine Abfallwirtschaft." Malte und Valentin wollen nun die meisten ihrer archäologischen Funde dem Helms-Museum übergeben.