Pädagogin Katia Saalfrank ist bekannt aus “Die Super Nanny“. Sie kommt Freitag in die Buchholzer Empore und stellt ihr neues Programm vor.

Sie sei nicht die "Super Nanny", darauf legt Katia Saalfrank Wert. In dem so betitelten Fernsehformat tritt sie jedoch aus Überzeugung auf, um Familien zu helfen. Katia - eigentlich Katharina - Saalfrank ist Diplom-Pädagogin, Musiktherapeutin, Autorin und Beraterin. Seit 2004 unterstützt sie in der Sendung "Die Super Nanny" (RTL) Eltern, die Schwierigkeiten mit ihren Kindern haben. Am Freitag, 20. Mai, kommt Katia Saalfrank, die mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Berlin wohnt, nach Buchholz. In der Empore präsentiert sie um 20 Uhr ihr Programm "Nein, Mama". Eintritt: 20,80 Euro. Karten unter Telefon 04181/28 78 78.

Harburger Rundschau: "Nein" ist vermutlich das Lieblingswort vieler Dreijähriger. Welche Antwort empfehlen Sie?

Katia Saalfrank: Oh je, was für eine Frage. Ich bin Pädagogin und kann Zusammenhänge erklären - eine Antwort auf verschiedene Fragen müssen alle Eltern selber und auch immer wieder neu finden. Es gibt ja nicht die eine Antwort. Kinder wollen mit dem Sprechenlernen vor allem auch das Wort 'Nein' lernen und auch ausprobieren. Das gehört zur Entwicklung zwingend dazu. Die Kinder machen sich so unabhängiger von den Eltern. Wir sprechen von der sogenannten Trotzphase. Es ist häufig eine schwierige Zeit für Eltern, weil die Kinder ihren eigenen Weg gehen wollen und nicht mehr alles machen, was ihnen die Erwachsenen sagen. Dabei ist es eher besorgniserregend, wenn Kinder sich hier nicht abgrenzen und 'Nein' sagen. Kinder sollen lernen, selbstbewusst und selbstbestimmt aufzutreten.

Trotzdem sind in vielen Familien deutliche Widerworte nicht erwünscht.

Saalfrank: Das kann ich so absolut bestätigen. Oft haben wir Eltern Angst, zum Beispiel die Kontrolle über die Kinder zu verlieren oder Sorge, nicht ernst genug genommen zu werden. Aber wie sollen Kinder selbstbewusst werden, wenn sie zu Hause nicht anderer Meinung sein dürfen?

Warum ist es so wichtig, dass Kinder "Nein" sagen können?

Saalfrank: Ich finde das vor allem bei dem Thema Gewalt oder auch sexuellem Missbrauch ganz wichtig. Hier sollen wir Kinder bestärken in ihrem eigenen Gefühl, dass eine Grenzüberschreitung stattfindet. Sie sollen stark gemacht werden. Wie sollen sie das schaffen, wenn ihre Bedürfnisse zu Hause übergangen werden und sie, wenn sie 'Nein' sagen wollen, das nicht dürfen?

Wie können Eltern ihre Kinder stärken?

Saalfrank: Indem Eltern ein 'Nein' des Kindes hinterfragen und sich damit auseinandersetzen. Was steckt dahinter? Angst, Ärger, Druck, eigener Wille? Diese Auseinandersetzung - mal intensiver, mal nebenbei - ist für Familien wichtig. Auch wir Eltern sollten uns fragen, ob wir nur 'Nein' sagen, weil uns alles andere zu kompliziert ist.

Besteht dann nicht die Gefahr, dass Kinder sich allem verweigern, worauf sie keine Lust haben?

Saalfrank: Kinder sind in der Regel sehr kooperativ. Sie verlieren die Lust, wenn Druck entsteht. Natürlich sagt auch mal ein Kind auf die Bitte den Müll runterzutragen: Nein! Aber auch hier ist es wichtig, nicht einfach nur zu befehlen: Doch! Sondern auch zu erklären, dass dies Gemeinschaftsarbeit ist, dass Familienmitglieder sich gegenseitig unterstützen und das Kind zu motivieren. Meine Erfahrung ist eher, dass Kinder sich verweigern, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen und nicht, weil sie keine Lust auf etwas haben.

Wann ist "Nein" ein Zeichen von Selbstbewusstsein, wann von Ungehorsam?

Saalfrank: Gerade heute geht es in der Beziehung zu Kindern nicht mehr darum, dass Kinder gehorsam sein sollen und ohne zu hinterfragen die Dinge machen, die Erwachsene von ihnen wollen. Wenn Kinder einfach nur gehorchen, werden sie zu Ja-Sagern, die nur das machen, was von ihnen verlangt wird - also ist ein 'Nein' immer okay.

Lohnen sich Diskussionen über den Sinn eines Verbots oder einer Regel - oder müssen Kinder bestimmt Dinge nicht unbedingt verstehen?

Saalfrank: Auseinandersetzungen und Diskussionen mit Kindern lohnen sich immer. Natürlich ist alles viel einfacher, wenn wir uns nicht mit den Kindern auseinandersetzen. Aber aus einem 'Nein' ist auch schon oft ein 'Ja' geworden. Kinder wollen unser 'Nein' erklärt haben und sie haben ein Recht darauf. Wenn wir verstehen, warum bestimmte Dinge so sind, wie sie sind, dann fällt es uns leichter, uns daran zu halten. Wenn Sie nicht verstehen würden, warum es lebenswichtig ist, an einer roten Ampel zu halten, hätten Sie vielleicht schon so manche leichtfertig überfahren und sich und andere unnötig in Lebensgefahr gebracht. Natürlich sind es Kinder wert, dass wir ihnen die Welt erklären.

Um ihre Kinder zu schützen, nehmen Eltern ihnen oft Entscheidungen ab. Warum sollten Kinder trotzdem eigene Entscheidungen treffen - und auch Fehler machen?

Saalfrank: Es gibt keine wirklichen Fehler - es gibt gute und weniger gute Erfahrungen. Es ist die Kunst des Elternseins, die Kinder auf ihrem Weg so zu begleiten, dass sie gute Erfahrungen machen und die weniger guten auch verkraften können. Viele Erfahrungen müssen wir Menschen eben selber machen. Gerade in der Pubertät ist es wichtig, dass wir Eltern uns da als eine Art Basislager wie beim Bergsteigen verstehen. Die Jugendlichen wollen und können schon ganz viel und sind quasi allein auf dem Berg unterwegs. Aber manchmal kommen sie von einer Bergwanderung und brauchen jemanden im Basislager, der einfach da ist, sie versorgt, sie unterstützt und ihnen zuhört. Wenn es gut läuft, dann können wir auch an den Entscheidungen der Kinder teilhaben und ihnen von unseren eigenen erzählen. Trotzdem werden Kinder immer ihre eigene Erfahrung machen wollen.

Viele Eltern lesen einen Ratgeber nach dem anderen - und werden immer unsicherer. Sind Erziehungsrezepte, wie Ihr "Nein, Mama", nicht zu viel des Guten?

Saalfrank: Eltern wollen immer sofort wissen, wie sie reagieren sollen. Es ist aber erst mal wichtig, sich grundlegende Informationen zur Entwicklung klarzumachen. 'Nein Mama' ist weder ein Erziehungsrezept, noch ein Seminar für Eltern. Es ist ein Abend von und mit mir rund um das Thema Familie.

Ihr Programm heißt "Nein, Mama" - gehen Väter anders mit einem "Nein" um?

Saalfrank: An dem Abend werden aus vier Entwicklungsbereichen, der Säuglingszeit, dem Kleinkind- und Schulalter und der Pubertät entscheidende Entwicklungen thematisiert und durch eine Mischung aus kleinen Einspielern und Lesungen präsentiert. So geht es zum Beispiel um den Babyschlaf oder die Trotzphase, in der Kinder ja immer wieder gern 'Nein' sagen. Väter und Mütter sind oft gleichermaßen erstaunt, dass das besser ist, als wenn ihr Kind zu allem 'Ja' sagt.