Es ist noch sehr früh. Auf dem Balkon atme ich die morgendliche Frische eines Frühlingstages ein. Zwischen den Bäumen vor dem Haus falten sich Dunstschleier wie hauchfeine Tücher zusammen, schweben den ersten Sonnenstrahlen entgegen.

Ein gedämpftes Rauschen erfüllt die Luft. Die Stadt erwacht und reckt und streckt sich.

Wie ein Diamant glitzert ein Tautropfen am Geranienblatt an der Balkonbrüstung. Der Tropfen zittert in sanfter Morgenbrise. Für einen Augenblick denke ich daran, dass dieser Wassertropfen ein Lebensraum für mikroskopisch kleine Algen und einzellige Lebewesen ist. Meine Gedanken kreisen um diesen Wassertropfen. Wir wissen, dass Leben in einem Wassertropfen existieren und sich vermehren kann. Seit Millionen von Jahren sind winzige Einzeller in unveränderter Form Überlebenskünstler der besonderen Art. Ein Tropfen am Blatt bedeutet für diese Mikro-Lebewesen die Welt. Und bis der Tropfen verdunstet vergeht für sie wohl eine Ewigkeit. Sie wissen nichts von einem Lebensraum außerhalb ihres Mikrokosmos. Welche Welt existiert außerhalb unseres Tropfens, den wir Erde nennen?

Ob man mit solchen Gedanken am frühen Morgen den Tag frisch beginnen kann und allen Anforderungen gewachsen ist? Ja, wenn man gerade einen Augenblick Ruhe hat und in diesem Augenblick an nichts anderes zu denken braucht. Der Duft von frischem Frühstückskaffee holt mich wieder in die Dimensionen menschlicher Lebensbedingungen. Was wird dieser Tag bringen?