Der Hof hat sich auf die Produktion von mediterranen Kräutern spezialisiert. Derzeit herrscht Hochsaison im Familienbetrieb.

Stelle. Auf großen Rolltischen reihen sich unzählige Töpfchen mit Minze, Melisse, Schnittlauch, Estragon und Basilikum aneinander. Sattes Grün - soweit das Auge reicht. Und erst der Duft! "Wirklich? Das rieche ich schon gar nicht mehr", sagt Annette Wischendorff, zupft ein Blatt von einem Basilikum-Busch und hält es sich unter die Nase. "Die Kräuter gehen morgen früh alle zum Großmarkt", sagt die Kräuterbauerin und zeigt über die meterlangen Tischreihen. Zurzeit ist Hochsaison für den Familienbetrieb "Wischendorff Gemüsebau" in Stelle. Geführt wird der Hof mittlerweile in dritter Generation von Heiner und Annette Wischendorff.

Unter insgesamt 8000 Quadratmeter Hochglas wachsen hier neben Topfkräutern auch Gurken, Tomaten und Frühlingsblüher, wie Violen.

"Ich habe immer zu mir gesagt: 'Du heiratest keinen Milchbauern'", sagt Annette Wischendorff lachend. "Dass ein Kräuterbauer genauso viel Arbeit hat, hätte ich nicht gedacht." Die 50-Jährige ist sechs Höfe von ihrem heutigen Zuhause entfernt groß geworden. "Meine Eltern hatten Milchvieh, und ich musste viel mitarbeiten zu Hause." Heiner Wischendorff war ein Kumpel ihres Bruders, auch ein Freund für Annette, mehr nicht - lange Zeit jedenfalls. "Es hat gedauert, bis ich mich in ihn verliebt habe", so die Landfrau, "aber dann Hals über Kopf."

Mit 16 Jahren ging sie In die Lehre

Bis dahin hat die heute dreifache Mutter viel erlebt. Mit 16 machte sie eine Hauswirtschaftslehre, besuchte 1977 bis 1979 die Fachschule für ländliche Hauswirtschaft in Wöltingerode im Harz. Eine Zeit, die sie sehr geprägt hat. "Uns wurde Disziplin beigebracht, aber auch die Freude am Lernen geweckt."

Den Wunsch anschließend für ein Jahr nach Namibia zu gehen, redeten ihre Eltern Annette jedoch aus. Aus Afrika wurde ein halbes Jahr Schweiz.

Zurück in Deutschland arbeitete sie als ländliche Hauswirtschaftsleiterin in einer Altenpension in Bad Gandersheim. Eine Aufgabe, die Annette Wischendorff gut gefallen hat. Doch sie wollte noch mehr lernen, ließ sich in der Landwirtschaftskammer Hannover, heute Niedersachsen, zur Landfrauenberaterin ausbilden.

"Da habe ich viel über wirtschaftliche Zusammenhänge gelernt. Und das hilft mir heute ungemein", sagt Annette Wischendorff und sieht die Bestellungen durch. Im Laufe des Tages kommen sie per Fax oder E-Mail an, oder werden ihr telefonisch durchgegeben. Zusammen mit einem Mitarbeiter stellt sie die Kräuter palettenweise zusammen, damit ihr Mann sie nachts zum Großmarkt nach Hamburg fahren kann.

In ihrer Zeit als Landfrauenberaterin ist sie oft mit Heiner ausgegangen - rein freundschaftlich. "Jeden Freitagabend ist er vorbeigekommen", erinnert sich Annette. Bis er an einen Abend etwas anderes vorhatte. "Da ist mir auf einmal klar geworden, wie viel er mir bedeutet."

1988 zog sie zu ihm auf den Hof, im selben Jahr wurde ihre Tochter Anna-Lena geboren, zwei Jahre später Ulrike, 1993 kam ihr Sohn Henning zu Welt. "Mir war von Anfang an klar, dass ich meine Arbeit aufgebe und auf dem Hof mit einsteige."

Damals lag der Schwerpunkt noch auf der Produktion von Freilandgemüse. Aber es gab ein Gewächshaus für Gurken und Jung-Chinakohl. "Damit das in der Nebensaison nicht leer steht, haben wir überlegt, dort Basilikum anzubauen", erinnert sich die Landfrau. Das war im August 1992.

Annette und Heiner säten das Basilikum von Hand in 17 000 Töpfe. Im Oktober waren alle Pflänzchen von einem Schimmelpilz befallen. "Die ganze Familie zupfte die kranken Blätter von den Pflänzchen, und als wir hinten fertig waren, haben wir vorne wieder angefangen." Annette nutzte ihre Kontakte, rief bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen an, doch ihre ehemaligen Kollegen konnten ihr nicht helfen. Dann wählte sie die Nummer eines Kräuterexperten in Freiburg. "Er gab mir den Tipp, dass wir die Pflänzchen zu nass oder zu dunkel gehalten haben. Wir installierten Lampen und bekamen den Pilz in den Griff", so Annette Wischendorff. Das Ehepaar Wischendorff entschied sich, fast ausschließlich auf die Produktion von Basilikum, Minze und Thymian zu setzten. Einfacher wurde es aber nicht. "Bis Anfang 2000 sind wir den Kräutern nur hinterher gelaufen", erinnert sich Annette Wischendorff an diese Lehrjahre. Dann kamen die ersten positiven Resonanzen - und das Kochen mit mediterranen Kräutern kam in Mode.

Zwölf-Stunden-Tage sind keine Seltenheit

Annette Wischendorffs Tag beginnt um 5.15 Uhr. "Dann gehe ich als erstes ins Büro. Denn so früh kann man ganz in Ruhe arbeiten." Ihr Mann ist dann schon längst auf dem Hamburger Großmarkt. Ab 7.30 Uhr hilft sie im Betrieb, nimmt Bestellungen an, tütet die Pflänzchen für den Transport zum Großmarkt ein. Mittagspause? "Habe ich etwa gegen 15 Uhr oder ich esse zusammen mit den Kindern, dann wird es meistens 17 Uhr." Danach geht es in den Gewächshäusern oder im Büro weiter.

Unterstützt wird die Kräuterbäuerin von April bis Dezember von etwa 15 polnischen Erntehelfern und 15 weiteren Angestellten - trotzdem sind für Annette Zwölf-Stunden-Tage keine Seltenheit. "Ich habe immer gedacht: Ich bin stark, ich kann das alles schaffen", erinnert sie sich. Bis zu dem Tag, an dem ihr Mann mit dem Verdacht auf Zungenkrebs ins Krankenhaus kam. Das war 2006. Wochenlang war sie für alles allein zuständig, die Arbeit im Betrieb und die Fahrten zum Großmarkt. "Dazu kam die große Angst um Heiner. Ich weiß nicht, wie ich diese Zeit ausgehalten habe."

Doch die Familie hatte Glück, die Diagnose Krebs wurde nicht bestätigt - Heiner Wischendorff wieder gesund.

"Aber ich habe gesehen, dass ich nicht alles auf meinen Schultern tragen kann. Also habe ich eine der Mitarbeiterinnen aus dem Gewächshaus für Büroarbeiten angelernt, damit sie mich vertreten kann, falls ich mal ausfalle", sagt Annette Wischendorff und stellt ihr Kaffeetasse auf dem Küchentisch ab und: "Im Herbst wird es hier etwas ruhiger, bis dahin gibt es einfach jede Menge zu tun. Also weiter geht's."