Die Mitglieder des Vereins Winsener Aquarianer züchten in ihren Wohnungen exotische Tiere, um die Arten zu erhalten.

Hamburg. Die Peruanische Pfefferschrecke ist gereizt. Nervös krabbelt das Insekt hin und her, die knallroten Flügelchen steil aufgestellt. Mickrige Stummel sind das, aber wenn sie in die Höhe gereckt werden, verheißen sie nichts Gutes. Im Gegenteil - sie sind eine eindeutige Warnung. Das pechschwarze Tier will sagen: "Lass mich in Ruhe - oder du wirst stinken!" Also lässt man besser die Finger von der südamerikanischen Pfefferschrecke. Denn wenn sie erst ihr übel riechendes Sekret versprüht hat, liegt der Gestank stundenlang in der Luft.

Es sind auch diese kleinen Gemeinheiten, die die Faszination für diese Tiere ausmachen, sagt Andreas Maiwald schmunzelnd. Der zweite Vorsitzende des Winsener Aquarienvereins hält sich das etwa acht Zentimeter lange Insekt im heimischen Wohnzimmerterrarium - neben Wandelnden Blättern, Kleinen Dornschrecken und einem rot-schwarzen Tausendfüßler. "Die Tarnung und das Aussehen der Tiere machen den Reiz aus", sagt er. Dabei hat alles ganz harmlos angefangen. "In meiner Jugendzeit habe ich das erste Aquarium gekauft. Das blieb so bis zur Geburt unseres Sohnes Lars. Im zu trockenen Kinderzimmer musste die Luftfeuchtigkeit erhöht werden, und so kam ein altes, bis dato ausrangiertes Kinderaquarium zum Einsatz." Mit der spontanen Vermehrung der Fische nahm dann das "Drama" seinen Lauf.

Mittlerweile besitzt Maiwald zwölf Becken mit Garnelen, Krebsen und Harnischwelsen aus aller Welt. Seitdem geht es seinem Spross nicht nur besser, auch der 13-Jährige ist mit dem "Virus" Aquaristik infiziert.

Und doch hat der 1996 gegründete Verein Nachwuchssorgen. Nach der Mitgliederzahl befragt, antwortet Maiwald: "Zu wenig!" 21 Aquarianer sind es tatsächlich, die unter dem Dach der Interessenvereinigung ihr Hobby pflegen, Tendenz sinkend. "Doch mittlerweile gibt es bundesweit Bestrebungen, junge Leute wieder für die Aquaristik zu begeistern", sagt Maiwald. Während der in Hausbruch stattfindenden Norddeutschen Aquarianertage (18./19. September) zeigen die Vereine des Bezirkes Niederelbe, was in der Aquaristik und Terraristik heute möglich ist. Der Winsener Aquarienverein veranstaltet monatlich Klubabende mit Vorträgen, zu denen Gäste willkommen sind. Allgemein guten Zuspruch findet die regelmäßig stattfindende Fischbörse in Winsen, bei der neben Zierfischen auch Wasserpflanzen und Wirbellose die Besitzer wechseln.

Wachstumschancen habe vor allem die Terraristik. Messen, auf denen Reptilien, Amphibien und Spinnen durch die Glasbehälter krauchen, seien rappelvoll. Und auch Andreas Maiwald hat Interesse an der Terraristik gefunden. Neben den Gespensterschrecken hält er seit Neuestem auch schillernd blaue Zwerggeckos aus Tansania. "Mir hat die Farbe gefallen", sagt seine Frau Silke, die sonst das Hobby ihres Mannes eher akzeptiert als unterstützt.

Dabei ist die Vivaristik nicht so pflegeintensiv wie gedacht: "Die Schrecken ernähren sich von Rosengewächsen wie Brombeeren, die Fische erhalten Frost- und Fertigfutter und die Geckos bekommen Fruchtfliegen und Gel." In jedem Fall sei das Hobby überaus entspannend: "Wenn ich nach Hause komme und meine Runde drehe, ist Ruhe. Dann komme ich runter", sagt der Kaufmann im Außendienst.

Runter kommen die Tiere von Joachim Zobel auch, sogar schneller als ihm lieb ist. Während des Ortstermins schlüpfen gleich zwei glitschige Gesellen aus seinen Händen auf den gefliesten Fußboden. Schwupps! Und weg . . .

Denn bei Joachim Zobel lauert der Schrecken hinter einer dünnen Glasscheibe. Dort sitzen "Schreckliche Pfeilgiftfrösche" zwischen rankendem Grünzeug. Sonnen sich unter speziellen Lampen. Und tragen ihren Furcht einflößenden Namen, obwohl sie ihm in Gefangenschaft nicht gerecht werden. Denn während sich die Amphibien in Südamerika von einer giftigen Ameisenart ernähren und dadurch ihr Gift anreichern, bekommen sie in deutschen Terrarien harmloses Fliegenfutter. Dadurch verliert der schreckliche Pfeilgiftfrosch sein mörderisches Toxin, das in freier Wildbahn reicht, um sechs bis sieben Menschen umzubringen.

Spektakulär ist die Amphibie aber auch ohne ihr Hautgift, das Ureinwohner nutzten, um ihre Pfeilspitzen in todbringende Boten zu verwandeln. Mintgrün, schreiend gelb oder leuchtend rot schimmern die Tiere durch die Terrarienfenster von Joachim Zobel. Nicht umsonst werden sie Edelsteine des Regenwaldes genannt. "Die Farbe war das eine", sagt der 71-Jährige über seine Begeisterung für die Frösche. "Aber faszinierend ist auch das Brutverhalten der Tiere." So legen die Pfeilgiftfrösche sechs bis 30 Eier in eine Wassermulde, aus denen nach zwölf Tagen die Quappen schlüpfen. Außerdem legen bei einigen Arten die Eltern jedem Spross ein "Nähr-Ei" ins Wasser.

"Das finde ich faszinierend", sagt Zobel. Was ihn beunruhigt, ist das weltweite Aussterben der Frösche. Schuld daran ist eine Pilzerkrankung, gegen die noch kein Kraut gewachsen ist. Dieser Pilz vernichtet in kurzer Zeit ganze Populationen. Hinzu kommt, dass der Lebensraum der Tiere immer mehr vernichtet wird. Die "Fröschler" unter den Terrarianern haben es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, Arten zu erhalten. "Die Zukunft wird wohl so aussehen, dass wir diese schönen Amphibien künftig nur noch in Terrarien bewundern können", sagt Zobel.

Seit 1989 züchtet er die Tiere, hält seine Terrarien 26 Grad warm. "Im Lauf der Zeit hat eine wundersame Vermehrung meiner Behälter stattgefunden", sagt der 71-Jährige. Denn: "Wenn es einen packt, dann richtig." Dennoch würden sich viele Menschen fragen: Wieso? Wieso pflegt man ein Hobby, bei dem man die Tiere oftmals nicht sieht?

Für Joachim Zobel war es die Zucht und die allgemeine Faszination für das Wesen der Tiere. "Eine Stunde pro Tag verbringe ich mit den Tieren."