Hamburg

Bombendrohung: Terrorangst auf Air-Berlin-Flug 6306

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Nico Binde, André Zand-Vakili
Mit einem Fuhrpark umstellt die Bundespolizei die Air-Berlin-Maschine
am Sonntagabend am Hamburger Flughafen

Mit einem Fuhrpark umstellt die Bundespolizei die Air-Berlin-Maschine am Sonntagabend am Hamburger Flughafen

Foto: Thomas Knoop

In Hamburg gelandete Air-Berlin-Maschine: Staatsschutz ermittelt nach Bombendrohung. Zweifel an Echtheit der E-Mail.

Hamburg.  Während des knapp einstündigen Fluges ahnte noch kein Passagier, was ihn in Hamburg erwarten würde. Doch spätestens als ihre Maschine kurz nach 18.30 Uhr auf einer Sonderposition des Flughafens geparkt wurde, weit abseits der Gates und anderer Flugzeuge, schwante den meisten, dass aus dem in München gestarteten Air-Berlin-Flug 6306 ein Problemflug geworden war. Und das lag nicht an der 60-minütigen Verspätung.

Erst in Hamburg erfuhren die 170 Fluggäste von der konkreten Bedrohungslage für sie. Draußen wartete schon die Bundespolizei mit der freundlichen Bitte, den Airbus 320 so schnell wie möglich zu verlassen. „Wir wurden gefilzt und sitzen in der Wartehalle“, schrieb ein Fluggast beim Kurznachrichtendienst Twitter. Und: „Gerenne von Polizei, Feuerwehr und Security.“ Was war passiert?

Eine halbe Stunde vorher, gegen 18 Uhr am Sonntagabend, war bei der Dienststelle der Bundespolizei in München eine E-Mail mit einer Bombendrohung gegen den Air-Berlin-Flug eingegangen, wie ein Sprecher bestätigte. Da war der Airbus bereits eine halbe Stunde in der Luft. Unterzeichnet wurde die Nachricht im Namen des „Islamischen Kalifats Europa“. Und da die Anschlagsdrohung als „ernsthaft“ und „glaubwürdig“ eingestuft wurde, wie am Montag ein Sprecher der Bundespolizeiinspektion in Hamburg sagte, herrschte kurzzeitig Alarmstufe Rot am Airport.

Abflüge und Landungen wurden für zehn Minuten unterbrochen, Teams von Feuerwehr, Flughafen und Bundespolizei brachten sich in Stellung. „Solche Situationen üben wir immer wieder“, sagte Flughafen-Sprecherin Stefanie Harder. Insofern sei ein erprobter Notfallplan abgespult worden, als Flug AB 6306 um 18.34 Uhr in Hamburg landete. Nach dem Aussteigen wurden die Passagiere mit Bussen in Warteräume gebracht und informiert. Das Bodenpersonal räumte die Gepäckstücke zur genauen Kontrolle aus. Die Einsatzkräfte der Polizei durchsuchten Handgepäck, Reisekoffer und Fluggäste nach Sprengstoff. Spürhunde wurden ins Flugzeug geschickt, das auf eine Sonderposition, weit entfernt von den anderen Flugzeugen und den Gates, gebracht wurde. Psychologisch geschultes Personal habe die Passagiere betreut. Ein Sprengsatz wurde nicht gefunden.

Dass die Maschine nach dem Start nicht umgekehrt ist oder auf den nächsten Flughafen umgeleitet wurde, sei „individuell“ entschieden worden, sagte ein Sprecher der Bundespolizei in München: „Der Einzelfall gibt die geeigneten Maßnahmen vor.“ Inzwischen ermittelt die Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums der bayrischen Landeshauptstadt.

Die Urheber der Drohung waren am Montagabend noch unbekannt. Möglicherweise lasse sich jedoch feststellen, wer mit der E-Mail die Sprengung der Maschine angekündigt hat. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios mehren sich in Sicherheitskreisen aber auch Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Drohung. In der E-Mail des Absenders „Islamic Caliphate Europe“ sei angekündigt worden, dass eine Gruppe das Flugzeug in die Luft sprengen werde. Der Text sei in großen Teilen identisch mit der Bekennerbotschaft, die der sogenannte Islamische Staat nach den Terroranschlägen von Paris im vergangenen November veröffentlicht hatte.

Bereits der zweite Vorfall dieser Art in diesem Jahr

Umso wichtiger sei es nun, den Urheber der E-Mail zu ermitteln. Eine Rolle könnte dabei spielen, dass die Drohung erst nach dem Abheben der verspäteten Maschine eingegangen sein soll. Möglicherweise war der verzögerte Start vom Täter beobachtet worden.

Dem Hamburger Verfassungsschutz war unterdessen eine Vereinigung mit dem Namen „Islamisches Kalifat Europa“ nicht bekannt. Nach Angaben der Bundespolizei sei es aber nicht ungewöhnlich, Bombendrohungen mit Islamischer Staat oder anderen Wortkombinationen zu verschicken, die „islamisch“ beinhalten.

Laut Hamburg Airport war die Bombendrohung gegen die Air-Berlin-Maschine bereits der zweite Vorfall dieser Art in diesem Jahr. Schon am 8. Mai hatte die Bundespolizei eine Maschine der Norwegian Air in Hamburg wegen einer Sprengstoffdrohung durchsucht, woraufhin die Maschine erst mit Verspätung nach Barcelona aufbrechen konnte. „Davor hatten wir vier Jahre keinen derartigen Vorfall“, sagte Sprecherin Stefanie Harder.

Laut Hamburger Staatsanwaltschaft kann die Androhung einer Bombenexplosion mit bis zu drei Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe geahndet werden. Nicht ausgeschlossen seien auch zivilrechtliche Forderungen, sofern der Absender ermittelt werde. Im Jahr 2007 etwa hatte das Landgericht Düsseldorf eine Studentin zu 207.000 Euro Schadenersatz verurteilt, weil sie den Düsseldorfer Airport im Jahr 2003 mit einer Terrordrohung im Namen der islamistischen al-Qaida sieben Stunden lang lahmgelegt hatte. Angeblich hatte sie seinerzeit nicht mit ihrem Freund in den Urlaub fliegen wollen. Ein Strafgericht hatte sie zuvor schon zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Die verdächtige Air-Berlin-Maschine hob am Montagmorgen um 7.20 Uhr bereits wieder von Hamburg aus zu einem regulären Flug nach Samos in Griechenland ab. Wegen des Vorfalls habe Air Berlin aber zwei Flüge des Jets von Hamburg nach Stuttgart und zurück streichen müssen.