Hamburg. Die Frau starb durch einen Stich ins Herz. Angeklagt wurde der 51-jährige Lebensgefährte: „Für mich war es die große Liebe.“

Es ist ein Fall, der für Entsetzen gesorgt hat. Zum einen, weil eine Frau an jenem 8. Mai 2016 in einer Wohnung in Hamburg sehr wahrscheinlich gewaltsam umgekommen ist. Und außerdem, weil ihr Leichnam vom Täter auf grausige Weise – nämlich in einem großen Rollkoffer – verstaut worden war.

„Eine Leiche im Koffer: Das hört sich erst mal gruselig an“, sagt Rechtsmediziner Klaus Püschel in „Dem Tod auf der Spur“, dem Crime-Podcast des Hamburger Abendblatts mit Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher. „Wenn man dann noch weitere Details kennt, nämlich dass der Partner dieser Frau den Koffer mit der Leiche eine ganze Weile bei sich mitten in der Wohnung stehen hatte, wird das erst richtig schaurig.“

True Crime Hamburg: Leiche im Koffer – 49-Jährige stirbt durch einen Stich ins Herz

Darum geht es: Der 51-jährige Rainer P. (Name geändert) soll seine zwei Jahre jüngere Lebensgefährtin in Barmbek-Nord umgebracht haben. Die 49 Jahre alte Sabine A. stirbt durch einen Stich ins Herz.

„Natürlich wird intensiv ermittelt“, erklärt Mittelacher. „Und später kommt es zu einer Anklage gegen Rainer P. wegen Totschlags. Schließlich muss sich der 51-Jährige, ein gelernter Maschinenbauer, im Prozess vor dem Schwurgericht verantworten. „Tatwaffe ist demnach ein Messer mit einer Klingenlänge von rund zwölf Zentimetern. Die Frau sei innerhalb kürzester Zeit verstorben. Zuvor soll Rainer P. sich laut Anklage mit seiner Lebensgefährtin gestritten haben.“

Tote wird im Rollkoffer verstaut, dazu kommt Waschpulver

„Erstaunlich ist ja auch, wie es nach dem Messerstich weitergegangen sein soll“, überlegt Püschel. „Denn Rainer P. hat ja offenbar über Tage nicht die Polizei gerufen, um den Todesfall zu melden – und andererseits ebenfalls nicht versucht, die Leiche verschwinden zu lassen. Am 11. Mai schließlich, also etwa 50 Stunden nach dem Versterben seiner Lebensgefährtin, soll der gebürtige Rostocker dann einen großen Rollkoffer vom Dachboden geholt haben“, so der Rechtsmediziner weiter.

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„Als Nächstes habe er den gesamten Körper der Getöteten darin verstaut, eingebettet in jeder Menge Waschpulver, heißt es. Dann soll er versucht haben, den Koffer aus der Wohnung zu transportieren, scheiterte jedoch. Der banale Grund: Der Griff des Koffers brach ab.“

Vier Tage nach dem Tod kommt die Polizei Hamburg

Dass die 49-Jährige verstorben ist, wurde schließlich entdeckt, nachdem die Tochter von Sabine A. eine Vermisstenanzeige aufgegeben hat. Am 13. Mai wollten sich Polizisten nach dem Verbleib der 49-Jährigen erkundigen und klingelten an der gemeinsamen Wohnung von Sabine A. und Rainer P. Ohne zu zögern, führte der Mann die Beamten durch seine Wohnung – geradewegs zum Koffer mit der Leiche. Er kam in Untersuchungshaft.

„Im Prozess hat Rainer P. ausführlich ausgesagt“, erinnert sich Mittelacher. „Und dabei war er zeitweise den Tränen nah. ,Für mich war sie die große Liebe, für sie war es nicht anders‘, sagte er über seine verstorbene Freundin Sabine A. Sie seien Seelenverwandte gewesen, hätten die gleichen Dinge geliebt. Die Beziehung sei zwar weitgehend harmonisch gewesen, allerdings habe die Alkoholsucht beider Partner das Glück getrübt. ‚Ich musste mehrmals die Polizei rufen‘, sagte er.‘“

Tote Frau im Koffer – war es Mord oder Suizid?

„Aber was den Tod von Sabine A. betrifft“, meint Püschel, „da hat der 51-Jährige doch gesagt, er sei unschuldig. Seine Freundin habe Suizid begangen.“ „Zumindest lief das, was er erzählt hat, darauf hinaus, dass man das verstehen musste“, bestätigt Mittelacher. „Rainer P. sagt, an jenem 8. Mai, es war Muttertag, sei seine Freundin sehr geknickt gewesen, weil ihre Tochter nicht angerufen habe.“

Mittelacher: „Sie hätten schon morgens Alkohol konsumiert, am späten Abend sei er ins Bett gegangen, während seine Freundin weitergetrunken habe. ,Nach dem Aufstehen sah ich sie dann in dem Küchenstuhl sitzen‘, sagte der Angeklagte. ,Mir war klar, dass sie tot war.‘ Neben der Toten habe das Messer gelegen, sagte Rainer P. Da sei er dann – Zitat – ,nervlich zusammengebrochen.‘“

Rechtsmediziner: Alles spricht dafür, dass jemand anderes zugestochen hat

„Ich würde jetzt gern darauf zu sprechen kommen, dass vom Angeklagten und seinem Verteidiger argumentiert wurde, Sabine A. habe sich den tödlichen Stich selber zugefügt“, so Püschel.

„Die Verteidigung meinte, Sabine A. habe sich nicht etwa in Selbsttötungsabsicht, sondern wegen einer Borderline-Störung aus einer ,irrationalen psychischen Ausnahmesituation‘ heraus selber den Stich ins Herz versetzt. So passe der Stichkanal zum Herzen nicht zum vermeintlichen Tathergang, wonach der Täter das Messer von vorne und mit Wucht in die Brust des Opfers gestoßen haben soll. Auch gebe es keine Hinweise auf einen Kampf.“

True Crime Hamburg: Zeugen belasten den Angeklagten, er habe die Tat gestanden

Doch der Rechtsmediziner widerspricht. Sowohl die Höhe, aus der der Stich geführt wurde, als auch die Richtung des Stichkanals – nämlich von oben nach schräg unten – spreche für eine Fremdeinwirkung. „Es gab doch im Prozess auch Zeugenaussagen von Polizisten, die den Angeklagten ebenfalls belastet hatten“, gibt Püschel zu bedenken.

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„Stimmt“, bestätigt Mittelacher. „Die Beamten waren zu der Barmbeker Wohnung des Paares gekommen, weil die Tochter der 49-Jährigen ihre Mutter tagelang nicht hatte erreichen können. Und diese Beamten erzählten als Zeugen vor Gericht, sie hätten Rainer P. gefragt, wo seine Lebensgefährtin sei. Er habe geantwortet: ,Im Koffer.‘ Auf ihre Frage, ob das sein Ernst sei, habe er gesagt: ,Ich habe sie getötet – und jetzt ist sie im Koffer.‘“

Am Ende hat die Staatsanwaltschaft den Totschlag als erwiesen gewertet und beantragt, sechs Jahre Freiheitsstrafe zu verhängen. Das Gericht verurteilte den Angeklagten sogar zu acht Jahre Haft. Die Kammer zeigte sich davon überzeugt, dass „der Angeklagte die Frau getötet hat und nicht etwa die Frau sich selber“.