Die Hansestadt ist die Gewürzmetropole der Bundesrepublik. Im Kräuterhaus, bei 1001 Gewürze oder im Ankerkraut gibt es den gewissen Pepp zum Essen.

Hamburg. Tief durchatmen. Selbst mit geschlossenen Augen nimmt der Kunde wahr, um was es hier geht. Es duftet intensiv in der Barmbeker Manufaktur 1001 Gewürze. Würzig. Angenehm. Exotisch. Neben Katharina Wilck steht ein Regal mit kleinen Dosen. Die Geschäftsführerin könnte eigentlich ein wenig kürzertreten, nachdem das diesjährige Weihnachtsfest eines der besten in der Firmengeschichte war. Doch die Chefin gibt beruflich Vollgas. Sie ist gerade dabei, die Fläche ihres Unternehmens fast zu verdoppeln – auf 500 Quadratmeter. Sie will Platz schaffen für die Gewürzmühle, mit der sie Pfeffer und Co. mahlt und exotische Mischungen nach eigenen Rezepten anfertigt. Wilck schafft so auch Platz für Hunderte weitere kleine und große Dosen gefüllt mit kleinen Köstlichkeiten.

Sie und ihre Mutter Bettina Matthaei waren wohl mit Ausnahme des Kräuterhauses nahe der Alster die Ersten, die in Hamburg den Trend zu natürlichen und handgemachten Nahrungsmitteln als Alternative zu Fabrikprodukten erkannte. Inzwischen hat 1001 Gewürze rund zwölf direkte Konkurrenten in der Stadt, wie zum Beispiel Ankerkraut, ein Unternehmen, das im Februar 2013 in der HafenCity gegründet wurde. Während 1001 Gewürze seine Produkte auch montags bis mittwochs von 9.30 Uhr bis 16.30 Uhr und donnerstags bis 18.30 Uhr im Laden in der Manufaktur anbietet, setzt Ankerkraut ausschließlich auf den Onlineversand. „Wir mischen jedes Gewürz jede Woche neu“, sagt Inhaber Stefan Lemcke. Der Sohn eines Entwicklungshelfers ist in Afrika aufgewachsen. Entdeckt hat er sein Faible für Gewürze allerdings während einer Urlaubsreise auf den Philippinen. „Ich war von der Intensität und Qualität der Aromen begeistert“, sagt er. Wenn er heute die Rohware in Empfang genommen hat, wird sie sofort gemahlen und veredelt. Im Gründungsjahr setzte sein Unternehmen 65.000 Euro um. 2014 will er erstmals Gewinn erwirtschaften.

Das Kräuterhaus, das kürzlich von der Langen Reihe in die Koppel umziehen musste, gibt es bereits seit mehr als 100 Jahren. Auch heute wird hier noch vieles per Hand gemacht. „Einer der Dauerbrenner ist der Kurkuma, auch genannt Gelbwurz. Dies ist ein Hauptbestandteil eines jeden Currys. Er verbindet auf ideale Weise Gesundes mit Geschmack“, sagt Kräuterhaus-Geschäftsführer Sven Laskiwitz. „Schabziger Klee“, das gemahlene Schabziger-Kraut sei schon bei Hildegard von Bingen ein beliebtes Heilmittel gewesen. Tatsächlich ist Hamburg die deutsche Hauptstadt für Gewürze. Rund 90.000 Tonnen werden laut Hafen Hamburg jedes Jahr in die Bundesrepublik importiert. Allein in der Hansestadt werden 80.000 Tonnen umgeschlagen. Davon entfallen etwa 30 Prozent auf Pfeffer, 16 Prozent auf Paprika und jeweils vier bis sechs Prozent auf Kümmel, Ingwer, Koriander und Muskatnüsse.

Die Hauptursprungsländer der Gewürze sind China, Vietnam, Indonesien, Brasilien und Indien. Im Spicy`s Gewürzmuseum in der Speicherstadt geben mehr als 900 Ausstellungsstücke aus den vergangenen fünf Jahrhunderten einen Eindruck, wie Gewürze angebaut, geerntet, weiterverarbeitet und transportiert werden. Nach den USA ist Deutschland übrigens weltweit das zweitgrößte Importland für Gewürze, obgleich der Verbrauch hierzulande gerade einmal bei 550 Gramm pro Kopf liegt. Rund 60 Prozent der Einfuhren nach Deutschland werden später wieder exportiert. Dieser Tatsache verdankt Norddeutschland seine traditionell sehr starke Nahrungsmittelindustrie und den Gewürzhandelsplatz Hamburg. Unternehmen wie etwa die Hamburger Gewürz-Mühle mit einem Sortiment von mehr als 500 Artikeln beliefern die Lebensmittelindustrie.

Angesichts der Bedeutung Hamburgs als Gewürzmetropole wundert es nicht, dass sogar der TV-Starkoch Alfons Schuhbeck seit 2008 einen Gewürzladen im Levantehaus betreibt. Das Unternehmen Viola’s Gewürze hat gleich zwei Geschäfte in der Stadt, in Eppendorf und im Alstertal-Einkaufszentrum. Eine dritte Filiale befindet sich in Aachen. Daneben gibt es auf Hamburgs Wochenmärkten zahlreiche Gewürzhändler wie etwa die Kräuterhexe, die auch einen Onlineshop betreibt oder den Hamburger Gewürz Basar. Und auch der Kaffeehersteller Becking hat Gewürze im Sortiment.

1001 Gewürze lebt vor allem vom Onlinehandel und einem treuen Kundenstamm von Delikatessengeschäften und Gastronomiebetrieben. Die „Nase“, die in dem Unternehmen neue Gewürzmischungen und Rezepte erfindet, ist Wilcks Mutter Bettina Matthaei, eine erfahrene Kochbuchautorin, die sich seit Jahren mit Gewürzen beschäftigt und Bücher zu dem Thema schreibt. Kurz nach der Gründung des Geschäfts fragte die Reederei Hapag-Lloyd sie als Gewürzexpertin an Bord der MS „Europa“ an. Seitdem begleitet Matthaei regelmäßig Reisen um die Welt und gibt auf dem Schiff Gewürzseminare: „Für jedes Land, das angefahren wird, stelle ich für die Gäste die dazu passenden Gewürze zusammen.“ Für Island zum Beispiel habe sie ein Feuer-und-Eis-Gewürz erfunden, erzählt die Frau, die auch für die MS „Europa 2“ angefragt wurde. Diesen Auftrag übernimmt nun die Tochter. „Ich fahre lieber auf dem bisherigen Schiff mit, weil ich dort schon viele Gäste kennen- und schätzen gelernt habe“, sagt die Mutter. Katharina Wilck freut sich über die Chance, auf der MS „Europa 2“ Seminare zu geben. Schließlich hat sie wegen ihres Geschäftsaufbaus lange auf Auszeiten verzichten müssen. 2003 gründete sie mit ihrer Mutter ihr Unternehmen, erst 2007 konnte sie den ersten festen Mitarbeiter in Vollzeit einstellen. Doch das ist Geschichte. Inzwischen beschäftigt sie 15 Mitarbeiter, manche davon in Teilzeit, für das Mahlen der Gewürze in der eigenen Mühle, dem Versand oder und das Lager. Die am meisten nachgefragten Gewürze sind Limettencurry, Potatoe–Spice, Fruchtiges Tomatengewürz, Schafskäse-Gewürz oder Minzcurry. Auch die neuen Sprinkles, Gewürz-Toppings mit Zutaten wie zum Beispiel mit Bärlauch, Haselnuss oder Hanfsaat, die unter anderem auf das Fleisch oder den Fisch gestreut werden, sind bei den Hamburgern beliebt.

Mit rund 6000 Kunden und 300 Gewürzen und Mischungen auf Lager erwirtschaftet Wilck bereits knapp eine halbe Million Euro Jahresumsatz. Rund 130 Feinkostgeschäfte in Deutschland, Österreich und der Schweiz führen ihre Produkte. In Hamburg sind dies unter anderem Mutterland, das Frischeparadies, Speicher & Consorten und die Meridian-Kochschule. Die Wohngeschwister verkaufen in ihrem Geschäft an der Schanze Wilcks neue Gewürzreihe „Hamburg macht scharf“. Und bundesweit gehören die Gastronomiekette Vapiano und andere bekannte Unternehmen, deren Namen die Chefin offiziell nicht nennen darf, zu den Abnehmern.

Inzwischen ist sogar die Gastronomiefachwelt auf das Unternehmen aufmerksam geworden. Die „Weingewürze“ der Hamburger wurden 2011 im Rahmen der Messe Gastro Vision mit dem Förderpreis ausgezeichnet. Zudem nahm der Varta-Führer das Unternehmen in seine Liste ausgewählter Feinkostadressen auf. Um neue Kunden zu gewinnen, veranstaltet Wilck in ihren Räumlichkeiten ein bis zwei Gewürzseminare im Monat. „Inzwischen kommen auch Firmen und ihre Mitarbeiter zu den Seminaren“, sagt sie. Der erste Unternehmenskunde war Hapag-Lloyd. Für Firmen gibt es Extratermine.

Um weiterwachsen zu können, will Wilck nun die Abläufe in ihrem Unternehmen genau unter die Lupe nehmen und professionalisieren. „Man muss die Nase immer in den Wind halten. Sonst läuft man Gefahr, die Poleposition zu verlieren“, sagt die Unternehmerin.