Zwei Zeuginnen haben zwar einen Knall gehört, nicht aber gesehen, wie eine 86 Jahre alte Frau am Alten Teichweg von einem 16 Tonnen schweren Bagger begraben wurde.

Dulsberg. Ein umgestürzter Bagger liegt am Alten Teichweg – darunter eine alte Dame, erschlagen vom stählernen Ausleger der tonnenschweren Maschine. Die Retter haben den Leichnam mit Folie abgedeckt. Selbst für hartgesottene Feuerwehrleute ist der Anblick kaum zu ertragen.

Das Unglück ereignete sich auf einem Gehweg – dort, wo sich Fußgänger eigentlich sicher und geschützt fühlen sollten. Agnes R., 86, wohnte in der Nähe des Unfallortes. Gegen 11 Uhr am Montagmorgen fuhr der Baggerfahrer an der Ecke zur Schwetzer Gasse bei strömendem Regen auf einen Tieflader auf, rangierte und soll noch versucht haben, den Ausleger zu richten. Dadurch verlagerte sich offenbar der Schwerpunkt, sodass sich die Maschine zur Seite neigte und auf die Straße kippte. Agnes R., die in diesem Moment die Baustelle passieren wollte, wurde unter dem 16 Tonnen schweren Bagger begraben. Sie starb noch am Unfallort.

Zwei Frauen verständigten sofort die Feuerwehr, die mit 37 Rettern anrückte. Einige Feuerwehrleute mussten Hilfe vom Notfallseelsorger in Anspruch nehmen. Der Baggerfahrer selbst erlitt einen Schock und musste von Rettungskräften behandelt werden. Ob der 53-Jährige berufsgenossenschaftliche Vorschriften zur Sicherung von Baumaschinen missachtet hat und deshalb zumindest fahrlässig für den Tod der Rentnerin verantwortlich ist, müssen die weiteren Ermittlungen klären. „Er ist bislang noch nicht aussagefähig“, sagte Polizeisprecher Holger Vehren.

Das Dilemma der Polizei: Die zwei Zeuginnen haben zwar den Knall gehört und die Feuerwehr alarmiert, sie haben den Unfall aber nicht direkt beobachtet. Um herauszufinden, wie sich das Unglück im Detail abgespielt hat, hat die Polizei einen Gutachter vom Institut für Unfallanalyse hinzugezogen. Die Hoffnungen der Ermittler beruhen auf Zeugen, die den Unfall gesehen haben. Sie werden gebeten, sich bei der Polizei unter Telefon 428 6537 10 zu melden.

Beschäftigt ist der Unfallfahrer bei der Willi Meyer Bauunternehmen GmbH in Uelzen. „Wir bedauern den heutigen Vorfall zutiefst. Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt den Angehörigen der Verstorbenen“, sagte Geschäftsführer Holger Horn dem Abendblatt. Zum Ablauf des Geschehens werde die Firma mit Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen jedoch keine Angaben machen.

48 schwere Arbeitsunfälle in 2012

Immer wieder kommt es bei Arbeitsunfällen zu Todesfällen. Dass allerdings Unbeteiligte Schaden nehmen wie im aktuellen Fall, ist äußerst ungewöhnlich. Erst im Juni starb ein Gerüstbauer am Mühlenkamp in Winterhude, nachdem er aus acht Meter Höhe auf die Straße gestürzt war. Im Krankenhaus erlag er seinen schweren Kopfverletzungen. Wenige Tage zuvor war ein 61 Jahre alter Arbeiter im Hamburger Hafen gestorben. Er war beim Klettern – ebenfalls in acht Meter Höhe – von einem Gerüst abgerutscht. Bei einem Arbeitsunfall an der Halskestraße (Billbrook) starb im März dieses Jahres ein Mann, der zwischen eine hydraulische Hebebühne und einen Stahlträger geraten war und eingeklemmt wurde.

Aufsehen erregte ein tödlicher Unfall auf der Baustelle der Elbphilharmonie vor drei Jahren: Ein Arbeiter aus Brandenburg fiel im zehnten Stock von einem Gerüst in die Tiefe und schlug mit dem Kopf auf dem Betonboden auf. Laut Polizei hatten sich zwei Holzbohlen des Gerüsts gelöst, sodass der 44-Jährige durch das Loch stürzte. Ende Dezember 2007 starb ein Arbeiter an einem Stromschlag, ein Kollege erlitt leichte Verbrennungen. Ein Kranausleger war bei Arbeiten an einer Hafenbrücke an der Bahnstrecke (Höhe der Deichtorhallen) einer Hochspannungsleitung zu nahe gekommen, Lichtbögen blitzten auf, der Strom bahnte sich seinen Weg.

Das Amt für Arbeitsschutz, das der Gesundheitsbehörde untersteht, hat im Vorjahr 48 schwere oder tödliche Arbeitsunfälle untersucht. Nach Angaben des Amts hat es im laufenden Jahr bisher 22 gegeben.