Zwei Kurzschlüsse an einem Tag. 1100 Haushalte und 240 Gewerbebetriebe in Schnelsen und Niendorf bis zu zwölf Stunden ohne Elektrizität.

Niendorf/Schnelsen. Blackout in Hamburgs Norden: kein warmes Essen, kein olympisches 100-Meter-Finale und auch kein "Tatort", der Kühlschrank längst abgetaut, die schmutzige Wäsche nicht gewaschen. Die Bewohner der Wohnsiedlung am Wagrierweg und der Hochhäuser am Vielohweg saßen Sonntagabend sprichwörtlich im Dunkeln. Zwei defekte Stromkabel verursachten den längsten Stromausfall seit Monaten: Bis zu zwölf Stunden lang waren knapp 1100 Haushalte und 240 Gewerbebetriebe in Niendorf und Schnelsen von der Elektrizität abgeschnitten. Erst gestern Morgen gelang es den Vattenfall-Technikern, den Defekt zu beheben. Die letzten Haushalte waren um 2.10 Uhr wieder am Netz.

Neben zahlreichen Privathaushalten waren auch das ModeCentrum und die Messehalle Schnelsen an der Modestraße von dem Stromausfall betroffen. "Auf einmal wurde alles dunkel", sagt der Centermanager des ModeCentrums, Andreas Weuster. Gegen 14 Uhr überraschte das Blackout die Händler der Bekleidungsmesse. "Als Erstes mussten wir einige Besucher aus den stecken gebliebenen Fahrstühlen befreien", sagt Andreas Weuster. "Alle sind ruhig geblieben, die Sache war schnell erledigt."

Ärgerlich: Am Sonntag habe eine starke Orderwoche begonnen, so Weuster. Zahlreiche Bekleidungshändler aus ganz Norddeutschland würden momentan die neuen Frühjahrskollektionen einkaufen. "Die Aussteller haben sich den Tag natürlich anders vorgestellt. Ohne Licht und Technik konnte nur noch eingeschränkt weiterverkauft werden", schildert der Centermanager den verursachten Schaden.

Stromausfälle passieren in der Regel, weil die Isolierung der Stromkabel beschädigt ist, etwa durch Baggerarbeiten, häufig aber auch durch Abnutzung. Die ältesten Kabel sind in Hamburg inzwischen 40 bis 50 Jahre alt, der Durchschnitt sei allerdings deutlich jünger, sagt Claus-Peter Siemens, Leiter Mittelspannungsnetzführung Hamburg bei Vattenfall. Ist die Isolierung beschädigt, kommt es zum Kurzschluss. Ähnlich der heimischen Wohnung, wo die Sicherung den Stromkreislauf kappt, wird im Umspannwerk ein Leistungsschalter ausgelöst.

Umspannwerke, 52 gibt es davon in Hamburg, sind wichtige Verteilerstationen auf dem Weg des Stroms in die Haushalte. In ihnen wird der Hochspannungsstrom aus den Heizkraftwerken in Mittelspannung umgewandelt und auf die rund 5600 kleineren Netzstationen verteilt, in denen die Spannung weiter reduziert und zu den Haushalten geleitet wird. Ist ein Kabel beschädigt, kann die defekte Stelle überbrückt werden. Die Techniker schließen dazu die sogenannte Trennstelle des Netzes, auf diese Weise entsteht eine Art Reserveleitung.

+++ Stromausfall durch defektes Kabel in 1100 Haushalten +++

Problematisch wird es jedoch, wenn - wie am Wochenende - gleich zwei Kabelstücke innerhalb eines Netzes beschädigt sind und sich die Reparaturarbeiten schwieriger als geplant gestalten. Das war das "extreme Pech" am Sonntag, sagt Siemens. Bereits am frühen Morgen gegen 6 Uhr war der Strom das erste Mal ausgefallen. Am Nordalbingerweg, gegenüber der Hausnummer 6, entdeckten Vattenfall-Mitarbeiter eine defekte Stromleitung. Nach 58 Minuten war das kaputte Kabel überbrückt, Strom floss wieder in den 900 betroffenen Haushalten. Bemerkt haben dürften diesen Ausfall allerdings die wenigsten Betroffenen.

Verhängnisvoll war jedoch, dass es gegen 14 Uhr zu einem zweiten Kurzschluss kam, diesmal an der wenige Hundert Meter entfernten Oldesloer Straße, während die Vattenfall-Mitarbeiter noch das erste kaputte Kabel flickten. Das Problem: Der zweite Defekt konnte nicht überbrückt werden, bis das erste Kabel repariert war. Und diese Baustelle hatte es in sich: Die Vattenfall-Mitarbeiter mussten mit dem neuen Kabel eine Straße unterqueren. Erst am frühen Montagmorgen gegen 2.10 Uhr war das Teilstück repariert.

Während sich für Centermanager Weuster die Einbußen gering hielten, traf der Stromausfall die Messehallen stärker: Der Ausfall sei eine Katastrophe gewesen, sagt Geschäftsführerin Steffi Kranawetter. Die Halle habe nur kleine Fenster und sei entsprechend düster gewesen. Als feststand, dass die Reparaturen andauern würden, gingen die Gäste nach Hause. "Computer und Telefone waren tot, und im Restaurant konnten wir nicht einmal Kaffee kochen. Da merkt man erst mal, wie abhängig wir von Strom sind."

Sie kritisiert, nicht vollständig informiert worden zu sein: "Bei der Störungshotline lief nur das Band. Dort hieß es, es gebe voraussichtlich bis 15.30 Uhr eine Unterbrechung der Stromversorgung." Gegen 18 Uhr habe Vattenfall mit einem Notstromaggregat teilweise wieder Strom geliefert. Zu der Zeit wäre die Messe regulär zu Ende gewesen. Ohne Strom hätten auch keine Gäste bedient werden können, normalerweise ein gutes Geschäft. Die Lebensmittel aus den abgetauten Kühlanlagen seien nicht mehr verwendbar. "Die Aussteller sind sauer. Einige haben angekündigt, Standgebühren und Gewinnausfall zurückzufordern", sagt Kranawetter. Den Unmut könne sie verstehen, es gehe um viel Geld. Sie schätzt den Schaden auf eine vierstellige Summe.

Haftbar gemacht werden könne der Netzbetreiber nur, wenn er grob fahrlässig gehandelt habe, sagt Vattenfall-Sprecher Kleimeier. Warum ein Stromkabel kaputt geht, ist selten klar. Durch den Kurzschluss werde es meist so zerstört, dass die Ursachen nicht mehr erkennbar seien, so Siemens. An der Oldesloer Straße könnten es Baumwurzeln gewesen sein, die die Isolierung beschädigten. Die Gefahr, einen Stromausfall zu erleben, sei gering: Einen Ausfall in 5,5 Jahren müsse ein Hamburger fürchten. Meistens fließe der Strom wieder nach knapp 14 Minuten.