Vier Monate wartete die abschiebebedrohte Armenierin Melania auf eine Antwort. Jetzt kam er: Sie sei nach Einschätzung der Ämter “Kein Härtefall“.

Winterhude. Die Nachricht kam mit der Post, umfasste drei DIN-A4-Seiten und war in ihrer wesentlichen Aussage knapp formuliert: "Der Antrag auf länderübergreifende Verteilung in den Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde Hamburg wird abgelehnt", stand da in reinem Bürokratendeutsch. Und dieser nüchtern klingende Satz reichte, um die Hoffnung von Familie Sarkissian schwinden zu lassen.

Vier Monate hatte die von der Abschiebung bedrohte armenische Familie auf eine Antwort gewartet. Jetzt stellt die Ausländerbehörde fest, dass die Familiensituation nicht als Härtefall eingestuft werden könne, weil Gründe für einen Verbleib in Hamburg nicht vorlägen. Die Stadt sei weiterhin nicht zuständig.

Seit Januar kämpfen die Hamburger Schülerinnen Anna, 11, und Melania, 17, sowie ihre Mutter Armine, 43, gegen ihre Abschiebung. Nach 13 Jahren in der Stadt war die Familie zur Ausreise aufgefordert worden, stellte daraufhin einen Asylantrag und beging damit einen verhängnisvollen Fehler. Denn mit einem Asylantrag greift ein komplizierter Verteilungsschlüssel, der Asylbewerber einem der 16 Bundesländer zuweist.

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Die Familie gelangte in die Hoheit nordrhein-westfälischer Behörden. Deshalb ging es in den vergangenen Monaten vor allem darum, das Verfahren zurück nach Hamburg zu holen.

Doch dass Anna und Melania seit der ersten Klasse Hamburger Schulen besuchen, dass die Heinrich-Hertz-Schule von "gut integrierten" Jugendlichen spricht, dass sich Mitschüler und Lehrer für den Verbleib aussprechen und eine Petition beim Eingabenausschuss der Bürgerschaft einreichten, sei nicht maßgebend. "Der langjährige Aufenthalt in Hamburg und auch der Schulbesuch der Kinder sind nicht Grund genug", eine Umverteilung zu rechtfertigen, heißt es in der Behörde.

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Die Entscheidung fuße auf Paragraf 51 des Asylverfahrensgesetzes, wonach die Hausgemeinschaft von Ehegatten sowie Eltern und ihren minderjährigen, ledigen Kindern berücksichtigt werden müsse, ebenso humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht. Sarkissians "gehören nicht zu dem begünstigten Personenkreis", stellt die Ausländerbehörde fest. "Auf Menschlichkeit wird in der Behörde gar nicht Rücksicht genommen", kritisiert dagegen Claus Engelhardt, der Betreuer der Familie. Die Stadt könne einfach eine Überquote geltend machen, wolle aber wohl keinen Musterfall schaffen.

Denn es ist auch ein Fall, der von Misstrauen geprägt ist. Während die Familie beteuert, wahre Angaben zu ihrer Identität gemacht zu haben, unterstellt die Ausländerbehörde der Familie das Gegenteil. Doch nur bei der Vorlage gültiger Pässe habe der Eingabenausschuss der Bürgerschaft einen positiven Umverteilungsbescheid in Aussicht gestellt. Soll heißen, die Familie musste ihre Identität eindeutig belegen. Das habe sie bis heute nicht getan, sagt Behördensprecher Norbert Smekal. Die Aussagekraft der von der Familie vorgelegten Passersatzpapiere der armenischen Botschaft in Berlin werde weiterhin angezweifelt.

Zumal die Behörde seit dem 20. Juli im Besitz anderer, neuer Papiere des armenischen Außenministeriums sei, "aus denen sich die richtigen Personalien" der Familie ergeben. Durch die 1995 in Eriwan ausgestellten Passanträge sei für die Ausländerbehörde bewiesen, dass Sarkissians "über all die Jahre falsche Angaben gemacht" haben und "sich ihren Aufenthalt im Bundesgebiet rechtswidrig erschlichen haben". Auch deshalb werde der Antrag auf Umverteilung abgelehnt. "Die Familie muss sich nun dahin begeben, wo sie seit Monaten sein sollte", sagt Norbert Smekal. "Nach Nordrhein-Westfalen."

Stefan Knief, der Anwalt der Familie, könne zum Behördenschreiben noch nichts sagen. Er habe Akteneinsicht gefordert, aber noch nicht bekommen. "Deshalb kann ich noch nicht abschätzen, ob wir Widerspruch einlegen oder mit den behaupteten Passanträgen zur armenischen Botschaft gehen, um dort gültige Unterlagen zu bekommen."

Die Familie sei finanziell und emotional ausgelaugt, sagt Betreuer Claus Engelhardt. Die Schule hat wieder begonnen. Doch im Moment sei es für Melania und Anna alles andere als einfach, sich auf ihren Alltag an der Heinrich-Hertz-Schule zu konzentrieren.